Ein Duft kann eine Erinnerung sein. Für Antonio Flores ist er zugleich Gegenwart und Zukunft. Denn der Duft von Sherry begleitet den Kellermeister der Dynastie González-Byass seit seiner Geburt.
Kindheitserinnerungen. Wenn Antonio Flores seine Augen schliesst und die Momente seiner Kindheit aufleben lässt, sieht er einen kleinen Jungen, der aufgeregt seinem Vater durch die grosse Bodega González-Byass im spanischen Jerez de la Frontera folgt. „Dieser unnachahmliche Duft nach Wein war mein steter Begleiter“, erzählt er. „Ich erinnere mich noch an warme Sommernachmittage, die wir am Strand verbrachten. Und wenn wir wieder nach Hause kamen, war er wieder da. Dieser frische, eindringliche Geruch.“
Zu Hause. Das war Antonio Flores stets die Bodega. Nicht nur, dass er in ihr – direkt über dem Tío Pepe-Keller – geboren wurde, er wuchs auch in ihr auf. „Mein Vater war der technische Direktor des Weinguts“, erinnert er sich an den Held seiner Kindertage. Den Mann, in dessen Fussstapfen er treten wollte. Was er tat – und längst eigene Fussabdrücke hinterlassen hat.
Eine Aufgabe fürs Leben
Seit vielen Jahrzehnten ist es Antonio Flores selbst, der über die Sherrys von González-Byass wacht. Sie im richtigen Moment dem nächsten Schritt ihrer Entstehung zuführt und letztlich entscheidet wann sie perfekt gereift für die Abfüllung in Flaschen sind. Denn er ist nicht nur einer der besten Önologen Spaniens, er ist auch einer der besten Kellermeister der Welt.
Sein feines Händchen beim Verschnitt der Weine ist es, das die Sherrys der familiengeführten Bodega zu den facettenreichsten, harmonischsten und zugleich spannungsgeladensten werden lässt. „Wenn man für ein so bedeutendes Weingut arbeitet, das sich seit fast zwei Jahrhunderten diesen ganz besonderen Weinen verschrieben hat, ist es eine der grössten Herausforderungen, beständig zu bleiben und die hohe Qualität zu halten“, gibt Antonio Flores zu bedenken.
Sechs Generationen zuvor war es Manuel González Gordon, Gründer der Sherry-Dynastie, der eine seiner ersten Kellereien Constancia nannte – und gab damit zugleich die Maxime der Konstanz auf alle Ebenen der Sherry-Herstellung vor. Eine Maxime, die auch Antonio Flores wie ein Mantra in sich trägt.
Wer Geschichte lebt, schreibt sie mit
Denn auf seine Weise ist Antonio Flores längst ein Teil dieser grossen Geschichte. Dieses enormen Erbes, das Generationen, Familien und Schicksale beeinflusste. „Im Grunde hatte ich nie eine Wahl“, lacht das Abbild eines stolzen Spaniers, das sich bis heute den Schalk eines Jungen bewahrt hat. „Bei meinem Geburtsort könnte man ja glatt meinen, dass Tío Pepe durch meine Adern fliesst – und nicht Blut“, scherzt er, während er vorbei an den Fässern schreitet, in denen eben dieser weltbekannte Fino reift, der seine Geburtsstunde mit seinem Duft krönte.
Ein Duft, der vielleicht auch seine gute Nase schulte, denn diese ist – laut Antonio Flores – bei der Entstehung edler Sherrys für einen guten Kellermeister unerlässlich. „Ebenso wie ein guter Gaumen, Zeit und Erfahrung.“ Doch was unterscheidet einen guten von einem wie ihn, einem aussergewöhnlichen Kellermeister? „Leidenschaft und Sinn für Humor“, antwortet der vielfach ausgezeichnete Experte verschmitzt.
Sherry bedeutet ihm alles
Leidenschaft. Ja, die lebt Antonio Flores: Ob Fino, Manzanilla, Amontillado oder Oloroso – „Sherry bedeutet mir fast alles“, gesteht er mit einem sanften, fast verträumten Lächeln im Gesicht. „Seine Vielfalt, seine Eigenheiten und seine Lebendigkeit begeistern mich.
Ich werde nie müde, Neues über diese aussergewöhnlichen Weine zu lernen und zu beobachten, wie sie wachsen, sich entwickeln und reifen.“ Man könnte glatt meinen, er spräche – mit so von Stolz geschwellter Brust – von seinen leiblichen Kindern. Dabei ist es nun seine Tochter Silvia, die er sukzessive darauf hinführt, in einigen Jahren das Zepter zu übernehmen.
„Ich bin unglaublich stolz auf sie. Silvia ist dann die dritte Generation Flores, die die „Albero“ – die Arena – betritt, um die Weine zu vollenden. Wir arbeiten schon jetzt sehr eng zusammen und nehmen uns viel Zeit, damit sie alle Facetten dieser Arbeit kennenlernt. Es ist wichtig, dass sie nicht nur von meinem Wissen lernt, sondern auch von der Erfahrung meiner Vorgänger und des Weinguts mit seiner ganzen Geschichte. Aber was für ein wundervolles Erbe ist es, das ich zurücklassen darf!?“
Anja Hanke: Señor Flores, Erbe, Geschichte und Stolz. Das sind drei Worte, die untrennbar mit der Bodega González-Byass und Ihnen verbunden sind.
Antonio Flores: Absolut, das sind die Fundamente auf dem wir alle arbeiten. Das Erbe eint alles: Den Stolz auf das, was in der Geschichte von Vorfahren begonnen wurde, weiterzuführen. Aber mehr noch lebt Gonzaléz-Byass von der Leidenschaft und dem ständigen Bedürfnis nach Innovation. Die Familie González brachte beispielsweise als erste Strom, Telefon, Tennis und Polo nach Jerez. Dieses Streben nach Neuem und das gleichzeitige Bewahren des Alten zeichnet das Unternehmen bis heute aus. Es hilft uns, neue Trends zu setzen. Beispielsweise die Begeisterung für die En Rama-Weine zu leben oder auch die Veröffentlichung feiner, seltener Sherrys wie Pio X oder Alfonso 1/6.
AH: Dies sind auch Weine, mit denen Sie Geschichte lebendig werden lassen.
AF: Absolut. Tío Pepe En Rama ist die Geschichte von drei Freunden, die im Weinkeller – natürlich beim Verkosten – etwas plaudern (grinst). Ich selbst, Martin Skelton (unser Geschäftsführer von GBUK) und Toby Morall (Käufer von The Wine Society in Grossbritannien). Wir nahmen eine Fassprobe und waren erstaunt über die Reinheit und Intensität des Sherrys, der direkt aus dem Fass kommt. Bis dato war es nicht üblich, En Rama-Sherrys – also ungefilterte Weine – abzufüllen und zu verkaufen. Es ist schwierig mit so lebendigen Weinen voll unraffinierter Hefen und organischer Materialien sicherzustellen, dass sie alle Qualitätskontrollen durchlaufen und nicht verderben. Allerdings forderte Toby mich heraus: Er sagte, wenn ich es schaffen würde, den Vorstand zu überzeugen und die Erlaubnis dazu bekäme, diesen Wein abzufüllen, würde er alles kaufen und es exklusiv den Mitgliedern der Wine Society ausliefern. Nun, ich habe es geschafft, die Erlaubnis zu bekommen, den ersten Tío Pepe En Rama in Flaschen zu füllen … und wir haben 16.000 Flaschen nach Grossbritannien geschickt, die innerhalb von 48 Stunden ausverkauft waren! Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt …
AH: Und welche Geschichte verbirgt sich hinter den Fino Las Palmas?
AF: Diese Weine sind Teil unserer Mission, seltene und erlesene Weine für Sherry-Liebhaber erlebbar zu machen. Wir haben mit kleinen Serien und qualitativ hochwertigen Abfüllungen gesehen, dass sie Menschen begeistern, die Sherry lieben und seine ganze Dimension erfahren möchten. Die Las Palmas-Kollektion repräsentiert nicht nur die Entwicklung von Tío Pepe, sondern repräsentiert auch meine ungebrochene Neugier und meine Liebe zu Fino und wie er altert. In der Las Palmas-Kollektion geht es um die langsame, delikate und vor allem natürliche Entwicklung von Tío Pepe, wenn es sich ohne Interferenzen in seiner eigenen Umgebung entwickelt.
AH: Nicht zuletzt Weine wie diese brachten Ihnen viele Auszeichnungen ein. Sie wurden mehrfach zum Weltbesten Ihres Fachs gekürt. Was bedeutet Ihnen das?
AF: Auszeichnungen sind der Höhepunkt eines Lebenswerkes. Es ist eine Ehre, international Anerkennung zu bekommen für die Arbeit, die man tagein tagaus macht, um das Beste aus Sherry herauszuarbeiten.
AH: Dieses „tagein tagaus“-Begleiten von Weinen, die Geschichte erzählen. Ist das Magie?
AF: Oh ja – und eine grosse Verantwortung! Ich habe immer die Arbeit meiner Vorgänger präsent im Hinterkopf. Wie es ihnen gelungen ist, solch grossartige Weine zu machen und die Prozesse so zu lenken, dass das Wesen dieser unschätzbaren Weine genau so auch heute noch zum Ausdruck kommt.
AH: Bei all diesen unterschiedlichen, facettenreichen Weinen: Haben Sie einen Lieblings-Sherry?
AF: Ja, den Amontillado Viña AB.
AH: Und wenn es ein trockener Wein sein darf?
AF: Wiederum der Amontillado Viña AB (lacht). Aber wenn es ausnahmsweise mal kein Sherry ist, dann müsste es ein guter trockener Champagner sein.
AH: Sherry als Essensbegleiter. Was sollte man beachten?
AF: Sherry geht immer. Es ist vielfach bewiesen, dass Sherry ein hervorragender Essensbegleiter ist, der mit seinen vielen Stilen fast jedes Gericht unterstreichen kann: Vom sehr süssen PX, der gut zu Schokolade passt, bis hin zu einem Fino, der mit schwierigen Gerichten wie Artischocken oder Spargel hervorragend korrespondiert. Die reicheren Stilistiken wie Oloroso und Palo Cortado passen bestens zu Wild und Geflügel oder Fisch. Und was kann besser sein als ein Glas gekühlter Tío Pepe, der als Aperitif serviert wird?
AH: Tío Pepe als Aperitif. Und welchen Sherry empfehlen Sie zum Sundowner?
AF: Den Palo Cortado 1987.
AH: Angenommen Ihr Schicksal wäre nicht so herrlich duftend vorgeschrieben gewesen. Welche Laufbahn wäre für Sie alternativ in Frage gekommen?
AF: Dann hätte mich der Journalismus gereizt.
AH: Es scheint auf jeden Fall nicht, dass Ihnen so oder so je langweilig geworden wäre.
AF: Nein (lacht), dazu habe ich auch so kaum die Gelegenheit. Wenn ich nicht gerade auf Reisen bin, versuche ich bereits um sechs Uhr – wenn alles noch ganz ruhig ist – in der Bodega zu sein. Dann schaue ich, ob in der Produktion alles reibungslos läuft, kontrolliere die Abfüllanlage, die Qualitätskontrolle usw., ehe sich der Tag mit Meetings, Terminen und Verkostungen füllt. So geht der Tag schnell vorbei. Und die Abende sind meist mit gutem Essen und guter Unterhaltung gefüllt.
AH: Sie wecken so viele Geheimnisse im Wein. Verraten Sie uns abschliessend noch eines über sich?
AF: Oh, ich habe viele Fehler. Sie glauben es vielleicht nicht, aber auch wenn ich mit Weinen arbeite, die ihre Geheimnisse erst mit der Zeit preisgeben, bin ich doch ziemlich ungeduldig. Ich treibe die Dinge ständig voran, um zu sehen, wie sich die verschiedenen Weine und Projekte, an denen wir arbeiten, entwickeln. Oft dauert es mir einfach viel zu lange (lacht)!
Weitere Informationen unter www.gonzalezbyass.de