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Glyphosat oder Handarbeit? Ohne Spritzmittel geht es auch

Glyphosat oder Handarbeit? Ohne Spritzmittel geht es auch
Copyright Deyan Georgiev / bigstock.com

Das Jahr 2017 war geprägt von endlosen Diskussionen über den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft. Tatsächlich verwenden verantwortungsbewusste Winzer Glyphosat & Co. mit Augenmass. Dass es auch in Steillagen ganz ohne die chemische Keule geht, beweist indes der steigende Anteil an Biowinzern.

Auch der Autor dieses Artikels bekennt sich schuldig. Vor drei Jahren hat er in seinem Weinberg in St. Aldegund an der Mosel Glyphosat eingesetzt. Genauer gesagt: am Rande seines Weinbergs. Nicht gern, aber es schien ihm in diesem Moment als beinah unverzichtbar. Die Brachfläche, die am Rande seiner Moselreben wucherte, machte ihm nämlich Sorgen.

Brombeeren wuchsen über die Grundstücksgrenze, und der Inhaber der verwilderten Fläche nebenan dachte, trotz mehrfacher Mahnung, nicht im Traum daran, für Ordnung zu sorgen. Das in kleinen Mengen und zielgenau versprühte Glyphosat hatte dann den gewünschten Zweck: Es machte Brombeersträuchern und anderem Kraut den Garaus und sorgte dafür, dass der eigene Riesling wieder ungestört gedeihen konnte.

Spritzmittel als Arbeitserleichterung

Die Vorzüge des Stoffes haben sich herumgesprochen. Wer in den Vierzigern und Fünfzigern in Winzerfamilien zur Welt gekommen ist, lernte ab den Siebzigern und Achtzigern Breitbandherbizide als seligmachendes Hilfsmittel kennen. Einmal spritzen, und schon sparte man sich das mühsame Hacken zwischen den Reben, wie es noch im 19. Jahrhundert und weit bis ins 20. hinein wie selbstverständlich als hartes Brot des Weinbauers galt.

Glyphosat war ein Fortschritt, so wie es Stahltanks im Keller waren, wie es Reinzuchthefen sein sollten und Enzyme, um den Hefen im Most das gärende Leben zu erleichtern. Hinterfragen taten diese Praxis zunächst lediglich wenige. Erst allmählich wuchs der Anteil der Biowinzer, die ganz bewusst auf synthetische Spritzmittel verzichteten, weil sie Ungemach witterten. Dann aber ging dieser steil nach oben. Allein in den zehn Jahren zwischen 2003 und 2012 vervierfachte sich die biologisch bewirtschaftete Rebfläche in Deutschland und damit die Zahl jener Winzer, die keinerlei Glyphosat mehr ausbringen.

Das Problem der steilen Lagen

Und auch bei denen, die nicht zertifiziert sind und sich keineswegs nur auf Pflanzentees und – Symbol für den biodynamischen Weinbau – vergrabene Kuhhörner festnageln lassen wollen, steigt das Problembewusstsein. Noch vor ein paar Jahren behauptete selbst so mancher Spitzenwinzer, dass es Schlimmeres gebe als hin und wieder mal Herbizide zu spritzen.

Herbizide sind auch im Rebbau immer noch im Einsatz
Herbizide sind auch im Rebbau immer noch im Einsatz

Die meisten wollten zwar nicht eingestehen, dass sie das zunehmend umstrittene Glyphosat verwendeten, doch Reinhard Löwenstein vom Weingut Heymann-Löwenstein in Winningen stellte sich der Kritik. Als er einst zugab, das Herbizid namens Roundup zu verwenden, hagelte es Vorwürfe und Lob.

So was mache man nicht, hiess es von den Puristen der Szene, während andere beipflichteten, dass es ohne Herbizide in den steilsten Lagen eben ziemlich mühsam werde. Inzwischen freilich ist auch dies Geschichte: Im Weingut Heymann-Löwenstein werde, berichtet Kellermeisterin Kathrin Starker, inzwischen kein Herbizid mehr angewendet.

Geht also doch, zumal die Verbraucher immer hellhöriger werden und sich europaweit schon mal beim Stammwinzer erkundigen, ob der denn Glyphosat anwende. Dessen Antwort dürfte freilich nicht immer korrekt sein. Inzwischen werde viel gelogen, was den Einsatz des Stoffes angehe, erzählen Kundige, die um die tatsächlich in der Branche verkauften Mengen an Unkrautvernichtungsmitteln wissen.

Nicht jeder, der sich öffentlich distanziere, ziehe auch hinter den Kulissen die Konsequenzen. Und manche spritzen gar immer noch, als gäbe es kein Morgen. In den Weinbergen kann man den übertriebenen Einsatz von Glyphosat und anderen stark wirkenden Herbiziden leicht an den breiten braunen Streifen erkennen, die bisweilen auch Zufahrtwege und Böschungen betreffen. Eine Praxis, die auch beim besten Willen nicht sinnvoll erscheint.

Alternativen sind möglich

Zumal es durchaus Substanzen gibt, die eine ähnliche Wirkung entfalten wie das inzwischen durch die EU erneut zugelassene „Wundermittel“, ohne im Verdacht zu stehen, Probleme zu verursachen. Pelargonsäure etwa gilt als zweckmässig, um wuchernde Unkräuter abzutöten. Anders als beim Glyphosat sind die Pflanzen allerdings nicht endgültig hinüber, spriessen wieder aus.

Nach ein paar Wochen muss die Behandlung wiederholt werden – was beträchtliche Kosten verursacht und für die Erzeugung preiswerter Weine kaum zu rechtfertigen ist. Geld kostet auch der Anbau von speziellen Pflanzen im Weinberg, welcher das unkontrollierte Wuchern von Unkräutern unterdrücken soll. Dass die gewünschten Kräuter dem Rebstock aber Konkurrenz machen, was den Verbrauch von Wasser und Nährstoffen angeht, ist Tatsache.

Ganz einfache Lösungen gibt es, das wird deutlich, im Weinbau nicht. Glyphosat hat der Autor dieses Artikels übrigens seit jenem Tag vor drei Jahren nicht mehr angerührt – auch wenn er beim ständigen Hacken und Unkrautrupfen im Sommer gern etwas Praktischeres zur Hand hätte. Doch die Unsicherheit über vermutete Nebenwirkungen des Stoffes bleibt, das Gefühl spricht gegen das Herbizid Nummer eins.

Dass in seinem Weinberg im vorvergangenen Jahr nur eine extrem kleine Menge an Trauben geerntet werden konnte, war allerdings nicht auf ein Übermass an Unkraut und auf einen Verzicht auf Glyphosat zurückzuführen, sondern auf allzu grosse Fäulnis. Pilze hatten die Trauben auf breiter Front zerstört. Doch gegen die ist auch das stärkste Herbizid machtlos.

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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