Neben Riesling gilt Chardonnay als hochwertigste weisse Rebsorte der Welt. Tatsächlich besitzt sie eine kaum zu überschätzende Bedeutung – vor allem in Frankreich und in den Überseegebieten. Auch in Deutschland kann man sich längst anfreunden mit der für den vorsichtigen Holzausbau prädestinierten Spezialität.
Die allerersten Chardonnay-Winzer Deutschlands mussten noch konspirativ vorgehen. Heimlich transportierten manche einst Reben aus Frankreich über die grüne Grenze, pflanzten sie in ihre Weinberge und erzählten den Weinkontrolleuren, dass es sich um Weissburgunder handele.
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Dass irgendwer die Schummelei bemerkt hätte und mit Bussgeldbescheiden um sich geworfen hätte, ist nicht überliefert. Zumal die verwandtschaftlichen Verhältnisse zwischen der damals erlaubten und der unerlaubten Rebsorte nicht zu übersehen sind und die beiden nicht auf den flüchtigen Blick auseinandergehalten werden können.
Pinot und Heunisch
Der eine oder andere badische Weissburgunder dürfte folglich in den Achtzigern und frühen Neunzigern des letzten Jahrhunderts zu einem Teil aus Chardonnay bestanden haben. Also aus jener Sorte, die vermutlich nach dem französischen Städtchen Chardonnay benannt wurde und eine natürliche Kreuzung aus Pinot und Heunisch ist, dem Urahn so vieler europäischer Kulturreben.
Erst nachdem der in Frankreich längst etablierte Veteran auch in Deutschland offiziell zugelassen worden war, tauchte sein Name auch auf den Etiketten auf; ab 1994 machte Chardonnay in Baden oder in der Pfalz, bald auch in Rheinhessen von sich reden. In der Bourgogne dagegen redet man nicht viel, sondern macht einfach: Auf den Etiketten sucht man den Rebsortenamen vergeblich.
Hier ist er zwar nicht die einzige, aber die wichtigste weisse Sorte, ähnlich wie in der Champagne. Durchgesetzt hat sich Chardonnay sogar, lange vor Deutschland, in den Überseegebieten: In Australien wurde er bereits im 19. Jahrhundert heimisch, in den USA tauchte er in ernstzunehmendem Masse erst in den Sechzigern und Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts auf.
Ab da ging es rasch aufwärts: Schon in den Achtzigern galt kalifornischer Chardonnay als einer der gefragtesten Weissweine der Welt, der es selbst mit den besten Burgundern aufnehmen könnte. Stilistisch allerdings gab es oft Unterschiede. Der vom Barrique geprägte Charakter der US-Varianten war unverkennbar, vor allem der Einsatz amerikanischer Eiche verlieh kalifornischen Chardonnays von damals Vanille- und Toffeenoten, machten aus ihnen üppige, oft protzige Spezialitäten.
Heutige Spitzenchardonnays Nordamerikas oder Australiens sind wesentlich eleganter als einst: Auch beim Fasseinsatz, der den Weinen dieser Sorte im Prinzip zugute kommt, haben die Winzer gelernt.
Chablis oder was?
Erst langsam setzte sich in Übersee die Erkenntnis durch, dass Chardonnay die Charaktere der Lagen ähnlich gut wiedergeben kann wie Riesling oder Pinot Noir. Jedenfalls dann, wenn der Winzer Feinheiten nicht durch Vinifikation überdeckt. Am deutlichsten wird das Terroir-Prinzip aber wohl immer noch bei den Weinen Burgunds, die Finesse und Frische mit Komplexität verbinden.
Während Montrachet als ultrateure weisse Legende gilt, sind die Premiers und Grands Crus von Chablis immer noch Geheimtipps, die zu erschwinglichen Preisen abgegeben werden und mit ihrer stahligen Säurestruktur manchmal eher an Rieslinge erinnern als an üppige amerikanische Chardonnays von einst.
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Ähnlich spannend können auch die Chardonnays der Champagne ausfallen, während man in Deutschland oder Österreich neben leichten, oft im Stahl ausgebauten Basisweinen auch dichte, im Holzfass (und immer öfter mit Augenmass) gereifte Spitzen kennt. Wenig Tradition besitzt die Sorte im Elsass, wo sie beinah ausschliesslich für Sektgrundweine genutzt wird und für die Appellation der Stillweine nicht zugelassen ist.
Vorsicht, Chardonnay
Zu welchem Essen man den Wein mit dem attraktiven französischen Namen, der sich letztlich vom Begriff Chardon für „Distel“ ableitet, trinken soll, ist Gegenstand endloser Diskussionen. Schlussendlich kommt es immer auf den Ausbau und die Herkunft an, pauschale Empfehlungen taugen wenig.
Mineralische Champagner aus weissen Trauben harmonieren mit finessenreichen Speisen, können Fischgerichte begleiten, schmecken zu Austern, passen sich aber auch zu vielen Gemüsegerichten an. Je buttriger und fülliger der Chardonnay ausfällt, desto eher sollte man ihn dagegen zu kompakten kulinarischen Kreationen vorschlagen.
Pochiertes Ei in Nussbutter könnte ihm ebenso angemessen sein wie Hummer in pikanter Vanillesauce. Doch Vorsicht: Wenn er extrem viele Holzaromen und Tannine aufweist, wird es schwierig, eine perfekte Speisen-Getränke-Kombination zu finden; allzu leicht entwickeln sich Bitternoten.
Übrigens muss man auch beim Dessert nicht auf Chardonnay verzichten: Österreichische Winzer sowie der eine oder andere deutsche Kollege erzeugen Aus- oder Trockenbeerenauslesen, die durchaus geschmackliche Spannung besitzen können – auch wenn sie mit den besten Rieslingen kaum je mithalten.