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Das neue Ungarn – Stierblut und andere Essenzen

Das neue Ungarn – Stierblut und andere Essenzen
Copyright Tupungato / Bigstock.com

Bekannt ist Ungarn vor allem für seinen Tokayer. Doch nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde investiert in Eger, am Plattensee und nahe der österreichischen Grenze. Innovationen gehören heute zum Alltag.

Es ist mild im Weindorf Szentendre, der Herbst zeigt sich von der schönsten Seite, und die Besucher stehen sich fast auf den Füssen. Nicht nur die Budapester kommen schliesslich gern heraus ins ungarische Rüdesheim, auch für Österreicher und Deutsche ist die Gemeinde am Donauufer ein Ziel. Ist ja auch kaum zu übertreffen, die Schönheit des Ortes mit seinen urigen Winzer- und Fischerhäusern.

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Das Weinmuseum erinnert an die unterschiedlichen Epochen der ungarischen Geschichte, an Rebkultur, die nicht mal in der Zeit sozialistischer Herrschaft zum Erliegen kam und heute mehr blüht denn je. Auch dank ausländischer Investoren, die hier ab Anfang der Neunziger Chancen sahen.

Investoren sorgen für Aufschwung

Edelfäule hat sich auf den Trauben gebildet
Edelfäule hat sich auf den Trauben gebildet

Die Neueinsteiger wussten ziemlich genau, dass unentdeckte Schätze in den Weinbergen zwischen der österreichischen Grenze im Westen, dem tiefen Süden oder dem Osten, wo über Jahrhunderte der Egri Bikavér erzeugt wurde, das Erlauer Stierblut schlummerten.

Ulkige Sorten pflanzen die Winzer seit Menschengedenken, was wohl auch mit der kulturellen Eigenständigkeit des Landes, der lediglich mit dem Finnischen verwandten Sprache zu tun hat. Hárslevelü heissen sie, Furmint oder Kadarka.

Manche sind ausserhalb des Landes kaum zu finden, andere haben sich auch in Österreich oder Württemberg Namen gemacht – der Kekfrankós ist dort als Blaufränkisch respektive Lemberger bekannt. Logisch dass die Grossen zugriffen.

Die spanische Kellerei Vega Sicilia gründete den Tokayerproduzenten Oremus, der französischer Versicherungskonzern AXA kaufte sich Disznókő, und ganz im Westen stieg Franz Weninger ein. Der hatte ja ohnehin Reben im südlichen Burgenland, in Grenznähe, und musste nicht weit fahren.

Die grossen Investoren dagegen witterten gute Geschäfte, denn der Tokayer galt ja als Wein der Könige oder König der Weine, genoss schon im 18. und im 19. Jahrhundert einen Ruf wie Donnerhall. Daran hat sich nichts geändert: Die hellgoldene bis bernsteinfarbene Spezialität aus teilweise edelfaulen weissen Beeren ist ein ungarischer Exportschlager.

In Budapest servieren sie ihn zur Gänseleberterrine, die amerikanischen Touristen reisen ohne eine Flasche Aszú oder die äusserst rare Eszencia gar nicht erst ab. Letztere entsteht, indem aus den eingetrockneten, von Edelfäule befallenen Beeren winzige Mengen Flüssigkeit abtropfen. Eine Flasche ultrasüsser Essenz – bis zu 600 Gramm Restzucker – kann 1000 Euro kosten und hält sich bis zum Ende der Welt.

Merlot trifft Kadarka

Wer sich dagegen abseits der Süssweinszene versucht, muss Überzeugungsarbeit leisten. Erhard Heumann zum Beispiel, ein herzlicher Bayer, der seit vielen Jahren auf seinem ungarischen Weingut lebt. Karriere gemacht hat er als Banker in Zürich, ist zu magyarischen Rebbergen gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Ein kleines Stück Land, das sein Schwiegervater gekauft hatte, dann die Erweiterung und der stetige Kampf gegen die Bürokratie.

Ausländer können nicht einfach mal so kaufen, sie müssen sich anmelden und Land pachten, nachweisen, dass sie es ernst meinen. Tut Heumann, der vor allem für kraftvolle Rotweine bekannt geworden ist.

Klassische Sorten wie Kadarka und Blaufränkisch verwendet er, weiss aber auch Cabernet Franc und Merlot zu schätzen. Und erzählt bei einem Kaffee in Zürich, was die Vorzüge und Nachteile Ungarns im Allgemeinen und der Region Villány-Siklós im Besonderen sind. Grandiose Böden, ein vorteilhaftes Klima, gut und schön, doch da wäre auch die Verzettelung der Winzer des Landes.

Viele machen ihr eigenes Ding, an der Zusammenarbeit hapert es. Was es dem Kunden nicht erleichtert, die langweiligen von den spannenden Weinen zu unterscheiden.

Innovationen und Klassiker

Von Zweitgenannten gibt es viele. Bei genauem Hinsehen ist Ungarn nämlich eines der neugierigsten Weinbauländer Europas. Erhard Heumann, der das Gut zusammen mit seiner Frau Evelyne führt, überrascht mit knackigem Riesling oder einer erfrischenden Cuvée aus Riesling, Welschriesling, Chardonnay und – man staune – würzige Aromatik hinzufügendem Gewürztraminer.

Bei Oremus wiederum, einem der bekanntesten Namen in Tokaj, sind nicht nur die Süssweine einen Versuch wert, sondern auch die trockenen. Ein reinsortiger Furmint mit leichter Holzwürze und Blütenduft? Spannend zu Käse und Fisch. Und das mit dem Stierblut in Eger, der Legende nach ein extrem dunkler und dickflüssiger Wein, muss man differenziert sehen. Was das Weingut Thummerer in dieser Hinsicht abliefert, ist eher mit der Vokabel Eleganz zu beschreiben.

So ziemlich allen ungarischen Weinen, den modernen wie den vor Tradition strotzenden, ist allerdings ihre Eignung zum Essen anzumerken. Im ungarischen Weinmuseum in Szentendre kann man das ausprobieren, denn ein Restaurant gehört dazu.

Zu Steinpilzen in Knoblauchsauce? Weisswein mit Säure. Und zu Paprikasch vom Wels mit Topfenfleckerln? Ein eleganter, aber kraftvoller Rotwein mit nicht zu knappen Anteilen an Kekfrankós.

Adressen in Ungarn

Nationales Weinmuseum www.bor-kor.hu
Kraftvolle Rote, überraschende Weisse: Heumann Wines www.heumannwines.com
Elegante Weine aus Eger: Thummerer, www.thummerer.hu
Nicht nur Süsswein: Oremus, www.vega-sicilia.com
Eine der bekanntesten Winzer Ungarns: Attila Gere, www.gere.hu
Tokayer bis zur Eszencia: Disznókő, www.disznoko.hu

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

Kommentare

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Le Bouchon Vinothek

Sehr geehrter Herr Fassbender
Wir bedanken uns für den Artikel von Ungarn, es freut uns sehr, dass Sie tolle ungarischen Weine präsentiert haben. Wir arbeiten daran diese Tropfen hier in der Schweiz bekannt zu machen, und Sie haben damit sehr viel geholfen.
Vielen Dank und wir wünschen Ihnen alles Gute für 2020.

Zuzana Jesova

Sehr geehrter Herr Fassbender
Wir bedanken uns für den Artikel von Ungarn, es freut uns sehr, dass Sie tolle ungarischen Weine präsentiert haben. Wir arbeiten daran diese Tropfen hier in der Schweiz bekannt zu machen, und Sie haben damit sehr viel geholfen.
Vielen Dank und wir wünschen Ihnen alles Gute für 2020.
Zuzana Jesova

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