Schaumwein aus Reims und Umgebung galt mal als solider Klassiker. Gute Qualitäten, historisches Prestige, wenig Überraschungen. Doch diese Zeiten sind lange vorbei: Immer mehr junge Winzer tüfteln an der Qualität ihrer Champagner, präsentieren herausragende Qualität zu häufig erstaunlich erschwinglichen Preisen. Allerlei Experimente bekommt der interessierte Verkoster gratis dazu.
Viele konnten es gar nicht erwarten. Die ProWein, Europas inzwischen wohl wichtigste Weinmesse, hatte gerade erst begonnen, doch viele Journalisten und nichtschreibende Schaumweinfans dachten nur an das eine. An die am Abend stattfindende Verkostung von Champagnern im Düsseldorfer Rheinturm, hoch über der Stadt.
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Dort tat, wer ernsthaft durchprobieren wollte, gut daran, gleich nach Eröffnung zu kommen; später konnte man an einigen Ständen nur noch drängeln, während sich gleich am Eingang Experten gegenseitig Tipps zuraunten.
Dynamik überall
Andrang und Raunen waren kaum überraschend, selbst angesichts der Tatsache, dass fast alle ausstellenden Champagnererzeuger Insidertipps waren. Pommery und Roederer fehlten, von Dom Pérignon und Ruinart ward keine Spur gesehen, und auch die berühmten Namen unter den kleinen Produzenten waren nicht am Start.
Doch offenbar genügt der Name Champagner inzwischen, um nicht nur Prestigetrinker, sondern auch Neugierige unter den jüngeren Weinfreaks zu locken. „Die Champagne ist die dynamischste Weinregion in Europa“, bestätigt Autor und Champagnerexperte Gerhard Eichelmann. „Die Winzer sind experimentierfreudig und bestrebt, Terroir-Champagner zu erzeugen, die grossen Häuser investieren in die Qualität, in die Weinbergsarbeit.“
Was zu Entdeckungen an allen Ecken führt; junge Winzer übernehmen den Stab von ihren Vätern, schaffen Pferde für die Weinbergsbewirtschaftung an, bepflanzen Parzellen im gemischten Satz, vergraben nach biodynamischer Gebrauchsanweisung Kuhhörner im Boden.
Holz und Säure
Spannend geht es auch bei Nadine und Richard Janisson zu. In ihrem knapp zehn Hektar umfassenden Weingut Janisson-Baradon experimentieren die beiden mit dem Ausbau der Grundweine in gebrauchten Barriques: eine in der Region immer beliebtere Methode, um den Champagnern Komplexität einzuhauchen.
Allerdings auch eine, die Fingerspitzengefühl verlangt: Allzu schnell wirken Champagner vom Holz dominiert, weshalb manche Winzer lieber auf grosse als auf kleine Fässer setzen und sich hüten, aus dem Ausbau der Grundweine ein Dogma zu machen.
Die konsequente Vinifizierung mit natürlichen Hefen ist ein anderes Schräubchen, an dem sich zu drehen lohnt, der Verzicht auf Säureabbau macht manche Weine geradliniger. David Léclapart, einer der bekanntesten unter den jungen Wilden, verzichtet auf Reserveweine, Schönung und Filterung. Ähnlich drastisch treibt es Vincent Laval (Georges Laval) in Cumières. Biologischer Anbau ist hier schon seit mehreren Jahrzehnten selbstverständlich, Schönung und Filtrierung gelten als tabu, die Dosage ist es meist auch.
Das Ergebnis ist, beispielsweise bei der Cuvée „Brut Nature“, so mineralisch und puristisch, dass man sich allmählich gewöhnen muss ans salzige Geschmackserlebnis. Vielleicht doch lieber erst mal die mindestens vier Jahre auf der Hefe gereiften, gut zugänglichen Jahrgangschampagner von Benoît Marguet?
Geheimtipp Côte des Bar
Während Spitzenweine von Laval oder Léclapart deutlich jenseits der 50-Euro-Grenze liegen, sind andere Produkte noch sehr günstig zu haben. Keineswegs ein Einzelfall „Verglichen mit den anderen berühmten Weinbauregionen in Frankreich, mit Burgund und Bordeaux, liegen die Spitzenweine in der Champagne deutlich niedriger im Preis“, erklärt Gerhard Eichelmann.
„Sehr gute Champagner erhält man vor Ort schon für einen niedrigen zweistelligen Betrag.“ Zum Beispiel an der Côte des Bar, einer früher missachteten, heute längst als dynamisch anerkannten Region. Erst spät bekamen die Winzer das Recht, Champagner ohne Einschränkung auf ihre Flaschen zu schreiben. Heute gelten Lucie und Sébastien Cheurlin oder Serge Mathieu zu recht als besuchenswerte Adressen.
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Davy Dosnon lässt seine Barriques sogar aus der Bourgogne liefern, lässt in ihnen puren Pinot Meunier Fülle und Würze annehmen. Weil sich die Klasse solcher und anderer Weine der Côtes des Bar langsam herumspricht, sollte man mit dem Kauf nicht zu lange warten. Oder nach den nächsten Newcomern Ausschau halten.
Elf Champagnererzeuger, die man sich merken muss
Devaux, www.champagne-devaux.fr
Dosnon, www.champagne-dosnon.com
Marguet, www.champagne-marguet.fr
Janisson-Baradon, www.champagne-janisson-baradon.com
Salmon, www.champagnesalmon.com
Chartogne-Taillet, www.chartogne-taillet.com
David Léclapart
Georges Laval, www.georgeslaval.com
Lucie & Sébastien Cheurlin, www.champagne-ls.com
Serge Mathieu, www.champagne-serge-mathieu.fr
Roger-Constant Lemaire, www.champagne-lemaire.fr
Zum Weiterlesen
Gerhard Eichelmann: Champagne. Edition 2015.
Mondo-Verlag, Heidelberg. 672 Seiten, 49,95 Euro. ISBN 978-3-938839-35-5