zurück

Geheimtipp – Der Weintrend von morgen heisst Savoyen

Geheimtipp – Der Weintrend von morgen heisst Savoyen
Copyright bigstock.com

Unter den unbekanntesten Weinbauregionen Frankreichs liegt Savoyen weit vorn. Doch die Situation beginnt sich gerade zu ändern. Schon bald könnten Altesse, Jacquère und Mondeuse zu den Trend-Rebsorten zählen. Schliesslich passen die aus ihnen gekelterten Weine perfekt zum Essen, sind alles andere als teuer und schmecken ungeheuer authentisch.

Eine Freude kann man Ludovic Namur auf ganz einfache Art und Weise machen. Ein Gast, angekommen im Drei-Sterne-Restaurant Flocons de Sel, muss einfach nur kundtun, dass er auf grosse Burgunder, auf Champagner und Bordeaux verzichten, sondern sich ganz der Umgebung widmen will. Schon huscht dem Weinexperten des Hauses, unlängst als bester Sommelier Frankreichs gekürt, ein Lächeln übers Gesicht.

Nichts macht Namur lieber als am Rande von Megève, in einem lichtdurchfluteten Alpenchalet, das Anbaugebiet Savoyen zu präsentieren. Und zwar nicht zum Käsefondue, wie in der Gegend üblich, sondern zu einer filigranen, ausdrucksstarken Küche.

Ludovic Namur ist nun bester Sommelier Frankreichs
Ludovic Namur ist nun bester Sommelier Frankreichs

Eine Region, die niemand kennt

Doch es ist nicht nur Lokalpatriotismus, der in einem der höchstdekorierten Restaurants Frankreichs herrscht. Was am Südufer des Genfersees und östlich der Rhone wächst, in einem Fleckenteppich an kleinen und kleinsten Weingegenden, ist wie gemacht, um mit Speisen genossen zu werden. Das ganze Menü mit Weinen von hier? Kein Problem, sagt Ludovic Namur, der sich schnurstracks aufmacht, einige Flaschen aus dem Klimaschrank zu holen.

Die abseitige Lage der Weinbauregion Savoyen, der lange Zeit mangelnde Bekanntheitsgrad selbst innerhalb Frankreichs und die Abwesenheit grosser, namhafter Kellereien haben nicht nur dafür gesorgt, dass die Flaschen derzeit noch günstig zu haben sind, sondern auch für den Verzicht auf Übertreibungen. Die Welle der mächtigen, im Holz ausgebauten Rot- und Weissweine ist vorübergeschwappt an der Region Savoyen, kaum jemand kam auf die Idee, internationale Mainstream-Rebsorten anzupflanzen. Wenn man mal vom Chardonnay absieht, der da und dort in Erwägung gezogen wurde.

Rebsorten vom anderen Stern – oder doch aus Zypern?

Doch viel interessanter ist, was es sonst noch gibt und was teilweise ausschliesslich in Savoyen im Anbau ist. Der Chasselas, der am Südufer des Genfersees wächst – ähnlich wie auf der gegenüberliegenden Seite des Gewässers, im schweizerischen Kanton Waadt. Doch die Weine unterscheiden sich hier von denen, die in der Eidgenossenschaft hergestellt werden, sind oft schlanker, frischer, säurebetonter. Manche eher für den schnellen Konsum gedacht, andere zur Lagerung geeignet.

Weiter südlich wird es dann richtig exotisch. In Seyssel zum Beispiel oder am Ostufer des Lac du Bourget. Altesse, auch Roussette genannt, wächst hier und ergibt feine, elegante, im besten Falle mineralische Weine. Alterungsfähig seien sie, sagt Sommelier Namur und schenkt reifen Altesse aus. Woher die Sorte stammt, weiss er nicht, aber da tappen auch Historiker und Ampelographen im Dunkeln. Angeblich soll sie Königin Charlotte, die sich 1459 mit Ludwig von Savoyen vermählte, einst aus ihrer Heimat Zypern nach Frankreich gebracht haben, aber solche Geschichten entpuppen sich fast immer als Mythen. Wahrscheinlicher ist, dass Altesse, mehr oder weniger eng verwandt mit den in Südfrankreich populären Sorten Roussanne und Marsanne, in Savoyen entstanden ist. Der vielstrapazierte Begriff autochthon hat hier seine volle Berechtigung.

Ob der beste Altesse-Wein still daherkommt oder schäumend, kann man freilich diskutieren. Beide Varianten sind zu haben, etwa in der Domaine Quénard, wo Altesse gern zusammen mit Jacquère ausgebaut wird, der anderen wichtigen Weissweinsorte der Region. Eine echte Diva allerdings, die man heftig zurückschneiden muss, damit sie keine exorbitanten Erträge liefert. Doch genau solche Eigenständigkeit kommt an, immer mehr Kunden wünschen sich authentische Tropfen. Die Nachfrage steigt, die Trüffelschweine der Weinszene sind gerade dabei, nach dem Jura endlich Savoyen auf den Schild zu heben.

Seltsame Namen und Rotweine der Extraklasse

Mit den vielen Herkunftsbezeichnungen – manche Savoyer Weine kommen als Chignin auf den Markt, andere als Vin du Bugey – muss man sich nicht im Detail befassen. Wichtiger ist es, sich generell um die Rotweine zu kümmern. Die Rebsorte Mondeuse ist, obwohl auch Pinot Noir ausgebaut wird, die Königin der hiesigen Winzerszene. Extrem dunkel sind ihre Weine nicht, aber enorm würzig. Erinnern eher an autochthone Sorten Italiens, ein bisschen auch an das, was im benachbarten Jura an Rotem erzeugt wird.

Schmeckt auf jeden Fall grandios, wenn es von Erzeugern wie der Domaine des Ardoisières und konzentriert kräuterwürzig daherkommt. Ein bisschen Persan ist in ihrem Falle manchmal mit drin – der Würze wegen und um mit dieser Spezialität an die grosse Zeit des hiesigen Weinbaus vor der Reblaus-Katastrophe im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zu erinnern. Damals waren viele hundert Hektar mit Persan bepflanzt, heute sind es gerade mal zwei Handvoll. Wie gut sich so was lagern lässt, beweist das Flocons de Sel am quicklebenden Objekt: Hier stehen noch Savoyer Rotweine bis in die Neunziger auf der Karte.

Und was die Desserts angeht: Zu den mit Valrhona-Schokolade, Chartreuse, Wacholder oder Kastanien zubereiteten Nachspeisen findet Ludovic Namur auch das Passende, ohne Savoyen verlassen zu müssen. Edelfäule tritt in manchen Weinbergen Savoyens nämlich immer wieder auf, Betriebe wie die Cave de Crépy-Mercier wissen, wie sich feine, elegante Dessertweine erzeugen lassen. Sich mit ihnen gerade jetzt einzudecken, ist angesichts der strahlenden Zukunft Savoyens dringend anzuraten.

Weingüter in Savoyen:

Domaine des Ardoisières

Domaine Quénard

Cave de Crépy-Mercier

Denis & Didier Berthollier

Domaine Giachino

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

Kommentare

Sicherheitscode eingeben:

Nach oben

Jetzt Facebook-Fan werden und keine Story verpassen

Jetzt Facebook-Fan werden

Jetzt den Weinclub.ch
Newsletter abonnieren

Immer auf dem aktuellen Stand - das Weinclub.ch Mailing kostenlos abonnieren.

Datenschutz wird bei uns gross geschrieben - wir geben Ihre Daten niemals weiter. Der Newsletter kann jederzeit gekündigt werden.