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Gewürztraminer – Geheimtipp für Weintrinker mit Sinn für Outlaws

Gewürztraminer – Geheimtipp für Weintrinker mit Sinn für Outlaws
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Wenn es eine Rebsorte gibt, die den Millennials als veraltet gilt, dann der Gewürztraminer. Eine Spezialität der Oma, breit, süss und nach Rasierwasser duftend. Doch die Vorurteile stimmen häufig nicht mehr. Engagierte Winzer zaubern aus Gewürztraminer & Co. unerwartete Finesse, die sich erfolgreich zum Essen einsetzen lässt.

Tatort: ein Restaurant in Ludwigshafen am Rhein. Eine unschöne Stadt, in der zwei engagierte Gastronomen ein prächtiges Restaurant führen. Swen Bultmann kocht im Atable, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, Sybille Herbst sucht die Weine aus.

Französische Kaninchenterrine mit Agen-Pflaumen gibt es hier oder die Paul Bocuse gewidmete gebratene Foie gras, als Hauptgang vielleicht die ganze Seezunge für zwei Personen und danach die ofenfrische Apfeltarte oder eine Grand-Marnier-Mousse mit Kumquats.

Bevor die geladenen Gäste an diesem Mittag aber zum Essen schreiten, ist erst mal Probieren angesagt. Mehr als 20 Weine stehen bereit, alle aus einer Sorte. Aus einer, die kaum jemand freiwillig bestellt. Es sei denn, er wäre ein Kenner.

Alles andere als Mainstream

Gewürztraminer gilt nämlich als out. Jedenfalls in Deutschland und in der Schweiz, wo nur vergleichsweise kleine Flächen mit ihm bepflanzt sind, wo kaum einer der Winzer viel Mühe verwendet auf die duftige Sorte. Nach Nektarinen und Rosenkonfitüre riechen die aus ihr erzeugten Weine, nach Safran und Honig, nach Teerosen und Lychee.

Unerfahrene Weintrinker verziehen oft das Gesicht. Muss es aus dem Glas duften wie in der Parfümerie? Wie im Gewürzladen zu Weihnachten? Und dann noch jene üppige Süsse, die viele Gewürztraminer auszeichnet, verbunden mit einem nicht unerheblichen Alkohol!

Der Traminer schafft es sogar bis auf ukrainische Postwertzeichen
Der Traminer schafft es sogar bis auf ukrainische Postwertzeichen

Doch natürlich muss es nicht so sein. Je nachdem, wie der Winzer mit den Trauben umgeht, wann er erntet, wie er vinifiziert, ändert sich das Ergebnis dramatisch. Gewürztraminer kann unglaublich variantenreich sein und nicht nur Spass machen, einfach so, sondern auch perfekt zum Essen passen. Und rede keiner von den asiatischen Gerichten, die immer zu ihm empfohlen werden! Gerade zu denen ist Gewürztraminer oft zu kraftvoll und würzig, passt de facto weniger gut als in den Lehrbüchern steht.

Blutwurst, Krustentiere und das gewisse Etwas

Swen Bultmann, der Küchenchef des Atable, hat einiges vorbereitet. Deftige Wurst und feinsten Schinken zum Beispiel. Keiner würde zu Charcuterie Gewürztraminer bestellen, doch wer sich nicht an die alten Regeln hält, erlebt Überraschungen.

Es sind nicht nur die halbsüssen Gewürztraminer-Exemplare, die Wurst in neuem Licht erstrahlen lassen, auch die eher trockenen, würzigen Vertreter der alten, urtümlichen Rebe machen sich gut.

Der Gewürztraminer von Zind-Humbrecht aus dem Elsass etwa, der dezent nach Nelken und Pumpernickel duftet, kann nicht nur mit Wurst, sondern auch mit deftigen Fleischgerichten mithalten. Ausdrucksstarke Fisch- und Krustentierspeisen wären ebenfalls geeignet, selbst Rahmsaucen stehen dem Gewürztraminereinsatz nicht entgegen, Blauschimmel- und Münsterkäse sollten sowieso eingeplant werden.

Man könnte, verfügte man über Weinberge, mit dem Gewürztraminer natürlich auch Dinge anstellen, die bei den meisten Winzern nie auf dem Plan standen. Ausbau im Barrique zum Beispiel, die Maischegärung über einige Stunden oder Tage – wie im Weingut Eymann in der Pfalz –, um ein paar Gerbstoffe aus den Traubenschalen zu quetschen. Wer früh liest, wenn der Zuckergehalt der Beeren noch vergleichsweise niedrig ist, gewinnt einen Wein mit zurückhaltender Aromatik und eher kühler Frucht.

Und selbst im Elsass, einer Hochburg des Gewürztraminers, muss es nicht immer üppig-würzig zugehen. Winzer Jean-Paul Schmitt aus Scherwiller arbeitet biodynamisch, hat die Süssegrade seiner Gewürztraminer immer weiter reduziert – sofern er nicht in Ausnahmejahren Aus- und Beerenauslesen keltert. Einen kraftvollen, recht fülligen Stil pflegt dagegen Christian Vessaz aus dem Schweizer Weingut Cru de l’Hôpital. Gelbe Früchte, dezente Gewürznoten und wärmender Alkohol. Vielleicht zu gebackenen Felchen aus dem Neuenburgersee mit Mangochutney?

Schmeckt so lecker wie sie aussieht: Île flottante
Schmeckt so lecker wie sie aussieht: Île flottante

Die Verwandtschaft ruft

Vessaz’ Wein ist übrigens, um genau zu sein, kein Gewürztraminer, sondern ein Traminer. Gleiche Familie oder, noch exakter, ein und dieselbe Rebsorte, aber mit anderer Ausprägung. Traminer, auch als Roter Traminer bezeichnet, wirkt weniger aromatisch als Gewürztraminer, ist feiner, verhaltener.

Im Wallis kennt man dagegen den Heida (im französischen Jura auch als Savagnin Blanc bezeichnet), im Elsass findet sich vereinzelt noch der Savagnin Rose (Rosa Traminer) unter dem Namen Klevener de Heiligenstein.

Küchenchef Swen Bultmann hat zum Schluss des Gewürztraminer-Workshops noch eine Île flottante zubereitet. Der leicht gesüsste pochierte Eischnee sitzt auf einer hausgemachten Vanillecreme und ist, o Wunder, durchaus geeignet, um von einem Gewürztraminer begleitet zu werden.

Von einer süssen Auslese aus dem Elsass, einem Eiswein aus Baden oder gar dem Gewürztraminer Epokale der Südtiroler Kooperative Tramin, also aus jenem Ort, in dem Traminer und Gewürz-traminer der Legende nach entstanden. Jahrelang im Bergwerksstollen gelagert ist diese Rarität intensiv, aber auch elegant und erfrischend, dazu alterungsfähig bis dorthinaus. Ein Wein, um Skeptiker zu überzeugen.

Gewürztraminer:
Weingut Eymann
Kellerei Tramin
Domaine Jean-Paul Schmitt

Traminer:
Weingut Herbert Zillinger
Weingut Schloss Staufenberg
Hahnmühle
Cru de l’Hôpital

Heida:
St. Jodernkellerei
Chanton Weine

Klevener de Heiligenstein:
Weingut Frey-Sohler

Savagnin Blanc:
Domaine Désiré Petit

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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