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Greg Mutambe – Wenn aus leise laut wird

Greg Mutambe – Wenn aus leise laut wird
Copyright 12 Apostles

Er gilt als Rockstar in der südafrikanischen Sommelier-Szene. Dabei ist Greg Mutambe eher ein ruhiger Charakter, der mit der Kraft des Weins sein Leben veränderte. Seine Wirkungsstätte: Das Luxushotel „The Twelve Apostles“ an der Atlantikküste Kapstadts.

Der Genuss von Wein ist für Greg Mutambe ein leiser Moment. Einer, der in all seiner gewaltigen Stille die Sinne des Sommeliers berührt. Nicht nur die Zunge – das Schmecken. „Wein ist wie eine Melodie, die den ganzen Körper in Schwingung versetzt. Für mich ist es in Flaschen gefüllte Kunst.“ Eine Kunst, die sein Leben veränderte. Geboren und aufgewachsen in Simbabwe war Wein für den jungen Mann ein sehr fernes Genussmittel. „In meiner Familie trank man Bier. Lange Zeit wusste ich nicht einmal, dass in Simbabwe Wein überhaupt angebaut wird“, erinnert er sich.

Es war sein Vater, der ihm am Weihnachtsabend 1999 seinen allerersten Wein servierte. „Einen Port“, erinnert er sich schmunzelnd. Die Süsse des Weins half dem Wein-Neuling, den ungewohnten Alkohol zu mögen. So sehr, dass er am nächsten Morgen verkatert jeglichen weiteren Exkursen in die Welt des Weines auf alle Zeit abschwor. Doch: Es sollte anders kommen.

Es kommt anders als gedacht

„Eigentlich wollte ich – wie mein Vater – Steuerberater werden“, erzählt Greg Mutambe, der in einem sehr engen Familienverbund aufwuchs. „Ich war auch sehr gut in Mathe, aber mir fehlte letztlich die Leidenschaft.“ So arbeitete er nach Abschluss der Highschool zuerst als Nachhilfelehrer, ehe er als Gelegenheitsarbeiter in der Mukuyu Winery im Ruzawi River Valley landete. „Ich erledigte einfache Arbeiten im Keller, denn ich hatte von der Materie ja überhaupt keine Ahnung. Wein war damals unbedeutend für mich. Ich erfüllte lediglich Anweisungen, ohne sie zu hinterfragen.“

Dennoch bat er den Kellermeister Samuel Pfidzayi eines Tages, ob er beim Verschnitt der Weine mitverkosten dürfe. Das war fünf Jahre nach seinem Port-Erlebnis. Ein Moment, der sein Leben unwiderruflich beeinflusste. Ein Moment, in dem der Wein seine Sinne berührte –  und er „alle Aromen erkannte, die für diese Rebsorte typisch sind.“ Eine Leistung, die seinen Chef nachhaltig beeindruckte und Greg bis heute bescheiden als Zufall abtut. „Dadurch, dass ich keinen Alkohol gewohnt war, konnte ich die Geschmacksnoten vielleicht besser erkennen.“

Er geht seinen Weg

Rückblickend würde man wohl sagen, dass Greg Mutambe in diesem Augenblick sein Talent – seine Leidenschaft – entdeckte. Bald darauf zog der damals 21-Jährige nach Südafrika. In Johannesburg studierte er drei Jahre an der Cape Wine Academy und arbeitete danach in verschiedenen Restaurants der Stadt. 2010 – im Jahr der Fussballweltmeisterschaft – zog er ans andere Ende des Landes nach Kapstadt, wo Wein nicht nur getrunken, sondern in den nahegelegenen Anbaugebieten auch hergestellt wird.

Er sticht, gegen alle Wetten, fünf (weisse) Mitbewerber bei einem Auswahlverfahren im Vineyard Hotel & Spa aus und beginnt damit seinen Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Sommeliers des Landes. Und nicht nur das: Greg Mutambe gehört zu einer passionierten Gruppe schwarzer Sommeliers, die es schaffen, in der Welt des Weins ihren Platz zu behaupten. Denn: „Wein ist immer noch das Hoheitsgebiet der Weissen“, sagt er – ohne Angriff. Für ihn ist es schlichtweg ein Fakt, der sein tägliches Schaffen begleitet.

Tafelbergs Lion’s Head im Visier von 12 Aposteln
Tafelbergs Lion’s Head im Visier von 12 Aposteln

Angekommen – und doch in Bewegung

Der Tag am Westkap zeigt sich wieder einmal von einer beeindruckend schönen Seite: Die Sonne brennt vom azurblauen Himmel, den kaum ein Wölkchen trübt. Eine leichte Brise lässt die Wellen auf dem Ozean kräuseln. In Sichtweite ruht der Lion’s Head über den Ausläufern Kapstadts. Ein Anblick, den Greg Mutambe seit sieben Jahren geniesst, denn er gehört zu seinem Arbeitsplatz: Seit 2011 ist er Chef-Sommelier im Luxushotel „The Twelve Apostles“, das für so Manchen zu den besten Sundowner-Plätzen der Weltmetropole zählt.

Hier ist er nicht nur für die handverlesene Auswahl des Weinkellers verantwortlich – „wir haben etwa 350 Positionen, hauptsächlich aus Südafrika“ – er ist auch der Geschichtenerzähler, der mit fast liebevollen Worten den Gästen Lust auf die Essensbegleiter macht. Zudem schult er seine Kollegen in Sachen Wein – und das, obwohl, oder gerade weil, er sich selbst unermüdlich neues Wissen aneignet.

Wein ist für alle da

Gregory Mutambe will etwas verändern. Für ihn sind Wissen, Kompetenz und ein sensibler Gaumen kraftvolle Instrumente, die es einzusetzen gilt. Um zu beweisen, dass Schwarze in der südafrikanischen Weinbranche ebenso einen Platz verdienen wie es Weisse tun. „Im Grunde sollte die Hautfarbe unerheblich sein“, sagt er. „Doch sie ist es nicht. Insbesondere, wenn man sich anschaut, wie viele oder, besser gesagt, wie wenige Schwarze in diesem Land ein Weingut besitzen.

Es gibt mittlerweile einige sehr erfolgreiche schwarze Winemaker und auch Sommeliers, aber wenn man bedenkt, dass fast 80 Prozent der Bevölkerung dieses Landes schwarz ist, ist das zu wenig“, kreidet er einer Nation an, die weltweit als Regenbogennation bekannt ist. Dabei geht es ihm nicht allein um Besitz und Stellung. „Wein ist von einem Lifestyle umgeben, an dem Schwarze kaum teilhaben. Wenn man es aber schaffen würde, nur zehn Prozent der schwarzen Südafrikaner für die Welt des Weins zu gewinnen, was würde das für die Weinwirtschaft dieses Landes bedeuten?“ fragt er und lässt die Antwort darauf bedeutungsschwanger offen.

Wein ist ein kraftvolles Instrument

Aus Überlegungen wie diesen ist BLACC – der Black Cellar Club – entstanden: Ein Weinclub, dessen Vorsitzender Greg Mutambe ist. Ziel dieser noch recht jungen Vereinigung ist es nicht nur, eine bis dato unerschlossene Zielgruppe zu erreichen und junge Menschen, die in der Industrie Fuss fassen wollen, zu unterstützen. „Wir wollen auch den richtigen Umgang mit Wein schulen.“ Wohlgemerkt: „Ich bin, wie viele Schwarzafrikaner, nicht mit Wein aufgewachsen. Es gibt aber eine riesige aufstrebende schwarze Mittelschicht – nicht nur in Südafrika – die Teil dieser besonderen Welt, die Wein umgibt, sein sollte.“

Denn auch wenn der gebürtige Simbabwer die andächtige Ruhe geniesst, wenn ein Wein seine Zunge berührt, er seine Entstehung auf der Zunge reflektiert und seine Aromen analysiert, so hat er durch den edlen Tropfen auch einen Weg gefunden, laut und deutlich eine Veränderung einzuläuten. Eine positive, kraftvolle Schwingung zu erzeugen – ähnlich wie es der Wein in seinem Körper macht.

Anja Hanke: Greg, wenn man ihnen zuhört, spürt man eine grosse Liebe zum Wein. Aber wann genau verliebten Sie sich?

Greg Mutambe: Es geschah tatsächlich auf dem Weingut, auf dem ich in Simbabwe arbeitete. Nach dieser besagten Verkostung bezog mich der Winemaker immer intensiver in die Arbeit ein. Ich lernte viel, arbeitete auch im Labor mit und wurde immer begeisterter. So begeistert, dass Samuel meinte Du musst da mehr draus machen. Geh studieren! Und genau das machte ich.

AH: Nach welchen Kriterien suchen Sie heute die Weine für das „The Twelve Apostles“ aus?

GM: Wir sind am Kap, also präsentieren wir das auch. Würde man in Frankreich in einem Restaurant einen Wein bestellen, wäre es ganz natürlich, dass die Weinkarte genau das widerspiegelt. Das gleiche gilt für Italien. Bei uns ist dies leider nicht so selbstverständlich, da unsere Regionen in Sachen Qualität immer noch ein Geheimtipp sind. Ein Joker, mit dem ich gerne spiele. Dabei setze ich stark auf kleinere Winemaker, Boutique-Weingüter und auf Produzenten, die naturnah arbeiten. Ich liebe Weingüter, die an den Wein glauben und ihm Freiraum zur Entwicklung geben. Nicht zu viel Einfluss von Eiche und schon gar nicht von Menschenhand. Solche Weine verbinden Menschen – und genau das möchte ich unterstützen.“

AH: Wir hatten gerade Frankreich. Ist das ein Weinland, das auf Ihrer Reiseliste steht?

GM: Ganz klar ja, Italien auch, eigentlich alle historischen Weinanbaugebiete. Ich würde auch gerne etwas Zeit an der Mosel verbringen und Rieslinge verkosten – oder im Elsass. Am liebsten würde ich alle Orte auf der Welt bereisen, an denen Wein angebaut wird (lacht).

AH: Auch die südafrikanischen Weinregionen bieten eine große Diversität. Welche ist für Sie die spannendste?

GM: Das Swartland. Dort gibt es viele kreative Winzer, vor allem auch junge, die viel Mut und Passion haben. Es gibt Weine aus dieser Region, die unser Land repräsentieren wie keine anderen es vermögen, insbesondere durch die Verwendung von Chenin Blanc. Eine Rebsorte, die absolut südafrikanisch ist, obwohl sie aus Frankreich stammt. Südafrika baut weltweit gesehen jedoch am meisten Chenin Blanc an – und unsere Winzer wissen unsere Rebsorte Nr. 1 auch gekonnt und vielseitig einzusetzen. Sie bietet ein breites Potential für die unterschiedlichsten Weinstile.

AH: Ihre Lieblingsrebsorte ist also Chenin?

GM: Da habe ich mich wohl verraten (lacht). Im Rotweinbereich ist es Pinot Noir.

AH: Haben Sie ein Lieblingsweingut?

GM: Bouchard Finlayson aus dem Hemel-en-Aarde-Tal. Hier werden grossartige Pinot Noirs produziert. Die Region ist wie geschaffen für diese Rebsorte. Ich habe diese Weine schon geliebt, lange bevor ich im The Twelve Apostles begonnen habe. Hotel und Weingut haben übrigens den gleichen Besitzer.

AH: Ihr Lieblingswein?

GM: Galpin Peak Pinot Noir von Bouchard Finlayson.

AH: Die Flasche Ihres Lebens?

Eben Sadie schaut, was er Greg als nächstes anbietet
Eben Sadie schaut, was er Greg als nächstes anbietet

GM: Columella 2008 von Eben Sadie. Ein Wein, der sich in mein Gedächtnis gebrannt hat. Vielleicht auch, weil ich ihn mit meinen Liebsten an meinem Geburtstag in einem fantastischen Steakhouse getrunken habe. Also hatte ich ein grossartiges Essen, grossartige Begleitung und es herrschte eine grossartige Stimmung. Doch auch ohne diese besondere Atmosphäre ist dies einfach ein herausragender Wein.“

AH: Wenn nicht hier – wo erlebt man einen perfekten Weinservice in Kapstadt?

GM: Bei mir zu Hause (lacht). Ich habe mittlerweile eine sehr gute Auswahl und mein Sohn liebt es, meine Rolle einzunehmen. Das ist sehr unterhaltsam. Aber im Ernst: Ich würde in die Winelands gehen. Im Restaurant von Jordan (http://www.jordanwines.com/dine-with-us/jordan-restaurant/) oder Rust en Vrede (http://rustenvrede.com/restaurant/). In der Stadt gehe ich gerne zu meinem Landsmann Tinashe Nyamudoka. Er arbeitet in The Test Kitchen (http://www.thetestkitchen.co.za)  – einem der besten Restaurants des Landes.“

AH: Welche Träume haben Sie für die Zukunft?

GM: Ich würde gerne meinen eigenen Wein machen. Das Label habe ich sogar schon fertig (lacht). Dieser Wein sollte meine Philosophie spiegeln. Ein Wein sollte immer den Ort seiner Entstehung oder die Person dahinter repräsentieren. In erster Linie denke ich dabei an einen Rotwein – aber auch ein weisser ist angedacht. Es sollen Weine sein, bei denen jeder schmeckt: Ah, der ist von Greg. Das ist ein leidenschaftlicher Wein, voller Kraft und Energie.

AH: Ihr Lebensmotto?

GM: Ich möchte einfach morgen ein besserer Greg sein, als ich es heute bin. Dabei geht es mir gar nicht um einen Konkurrenzkampf mit anderen. Wir sind alle so individuell. Wir haben alle Stärken und Schwächen. Ich trete dabei jeden Tag mit mir selbst in den Wettbewerb. Ich muss mich auf eine Ebene bringen, auf der ich weiss, dass ich immer mein Bestes gegeben habe.

Weitere Informationen unter: www.12apostleshotel.com oder: www.facebook.com/BLACC

 

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

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