Der Weinbau in Italien ist geprägt von Extremen: Auf der einen Seite Tradition, auf der anderen Rebellion. Doch gerade dieses Spannungsfeld trägt Früchte.
Piemont – Königliche Weine
Es ist die Heimat von einem der berühmtesten Winzern der Welt: Angelo Gaja. Das 1859 gegründete Familienweingut in der Stadt Barbaresco führte er an die Spitze, kaum jemand anderes hatte so viel Einfluss auf die Weinherstellung in Italien: Er war einer der ersten in der Region, der Einzellagenweine herstellte.
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Seine Weine erzielen heute Spitzenpreise – und das, obwohl er auf die Bezeichnung Barolo DOCG verzichtet und seine Weine stattdessen als Langhe Nebbiolo auszeichnet. Der Grund: Barolo muss zu 100 % aus der Rebsorte Nebbiolo bestehen, Gaja setzt aber einen kleinen Prozentsatz andere Rebsorten ein.
Ansonsten führt, wenn man vom Piemont spricht, kein Weg an Barolo vorbei. „König der Weine – Wein der Könige“, so wird er oft genannt, denn er soll schon im 16. Jahrhundert bei Aristokraten beliebt gewesen sein. Das Anbaugebiet liegt in der Unterregion Langhe. Der Wein reift mindestens 38 Monate, davon mindestens 18 Monate im Holzfass.
Ein hoher Alkoholgehalt und kräftige Tannine sorgen dafür, dass der Wein sehr alterungsfähig ist – dafür aber in jungen Jahren manchmal etwas schroff daherkommt. Sein internationaler Aufstieg begann Ende der 1980er Jahre. Es war die Zeit, als schwere Rotweine international gefragt waren. Die Preise, die für Barolos bezahlt wurden, kletterten in bis dato ungeahnte Höhen.
Um die Jahrtausendwende änderte sich aber der Weingeschmack: Beliebter wurden Weine, die nicht zu schwer und zudem früher trinkbar waren. Doch auch wenn der Hype mittlerweile abgeebbt ist, so zählt der Barolo auch heute noch zu den grossen Rotweinen Italiens.
Als kleiner Bruder des grossen Königs wird der Barbaresco bezeichnet. Auch er wird nur aus Nebbiolo-Trauben aus den Langhe hergestellt, seine Ausbauzeit ist mit mindestens 26 Monaten, davon neun im Holz, ebenfalls noch recht lang. Im Gegensatz zum Barolo ist er aber weicher im Geschmack.
Die am meisten verbreitete Rebsorte im Piemont ist aber der Barbera. Auch ihm haftete lange Zeit das Image an, sehr rustikale Weine hervor zu bringen, deshalb wurde in den vergangenen Jahrzehnten das Geschmacksbild durch modernere Ausbaumethoden etwas verändert. Bekannte Denominationen sind Barbera D’Alba und Barbera D’Asti.
Der Barbera D’Alba DOC wächst auf lehm- und kalkhaltigen Mergelböden, die in der Region auch „weisse Erde“ genannt werden. Der Barbera D’Asti hat seit 2008 den DOCG-Status. Seine typischen Aromen sind Kirsche und Pflaume und würzige Anklänge, etwa von Zimt, Kakao und manchmal Lakritz.
Die Versionen Barbera D’Alba Riserva und Barbera D’Asti Superiore werden länger ausgebaut und müssen auch eine vorgeschriebene Zeit ins Holzfass. Sie sind länger lagerfähig und entwickeln oft mit fortgeschrittenem Alter ätherische Noten.
Die besten Weissweine des Piemont werden aus den Rebsorten Cortese und Arneis gemacht. Der Gavi DOCG etwa aus Cortese wächst an den Alpenausläufern ganz im Norden der Region. Idealerweise zeigt er Aromen von reifem Kernobst, Wiesenblumen und eine elegante Mineralik.
Der Roero Arneis DOCG hat in letzter Zeit an Beliebtheit gewonnen. Die Sorte wurde vor einigen Jahren von den Winzern wiederentdeckt – früher wurde er mit deutlicher Restsüsse ausgebaut. Heute leicht und trocken, aber mit einer frischen Frucht und einer typischen Mandelnote, eignet er sich dazu, jung getrunken zu werden.
Toskana – Strenge Regeln fordern Querdenker heraus
Kaum eine andere italienische Weinregion ist so sehr mit einer Rebsorte verbunden wie die Toskana mit dem Sangiovese. Die grossen und bekanntesten Weine der Region werden aus dieser Rebsorte gemacht: Chianti Classico, Vino Nobile di Montepulciano, Morellino di Scansanound natürlich der Brunello di Montalcino.
Chianti – manche behaupten, es sei das international bekannteste italienische Wort überhaupt. Ursprünglich als einfacher Bauernwein hergestellt, begann er ab den 1950er Jahren seinen Siegeszug in der Welt. Während der Chianti DOC noch heute als unkomplizierter Pizzawein daherkommt – und vielleicht auch gerade deswegen treue Fans hat – steht der Chianti Classico DOCG mit dem schwarzen Hahn (Gallo Nero) auf seinem Siegel für strengere Vorschriften bei der Weinbereitung.
Der Classico wird nur in der historischen Kernregion angebaut – und dort darf sonst auch kein anderer Wein hergestellt werden. Während der Chianti zu mindestens 70 % aus Sangiovese bestehen muss, sind es beim Classico 80 % – und im Gegensatz zum einfachen Chianti darf der Classico auch nicht mit weissen Rebsorten verschnitten werden.
2013 wurde im Chianti Classico die Top-Kategorie Gran Selezione eingeführt. Diese Weine reifen mindestens 30 Monate, und das Lesegut darf nur von den besten Lagen kommen.
Der Brunello di Montalcino ist einer ersten italienischen Weine überhaupt, die 1966 einen DOC-Status verliehen bekamen. Er wird zu 100 % aus der Variation Sangiovese Grosso und nur in der Gemeinde Montalcino hergestellt. Auch er ist einer grossen italienischen Rotweine, schwer und tanninreich, mit mindestens vier Jahren Reife – gemacht, um in Würde zu altern.
Um 2008 gerieten mehrere Hersteller unter den Verdacht, den Brunello mit anderen Rebsorten verschnitten hergestellt zu haben. In dieser Zeit mehrten sich auch die Stimmen von Produzenten und Offiziellen, die vorschlugen, den Verschnitt zuzulassen, um den Brunello für internationale Märkte attraktiv zu machen. Doch diejenigen, die um die Identität des Schwergewichts fürchteten, behielten schliesslich die Oberhand.
So viele strenge Regeln, vor allem bei den zugelassenen Rebsorten – damit haderte so mancher schon in den 1960er Jahren. In dieser Zeit begannen namhafte Erzeuger – die es sich aufgrund ihrer Berühmtheit leisten konnten – in Frage zu stellen, ob sie die Herkunfts-Bezeichnungen für ihre Weine wirklich brauchen.
Allen voran ging der Marchese Piero Antinori, der 1971 den Tignanello auf den Markt brachte, eine Cuvée aus Sangiovese, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc – damals ein Skandalwein, der nur die Klassifikation Vino da Tavola erhielt (die später von der Bezeichnung IGT abgelöst wurde).
Etwa zur gleichen Zeit kam auch der Sassicaia auf den Markt, hergestellt nur aus Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc in der Tenuta San Guido, die ebenfalls zum Antinori-Imperium gehört. So wurde dieser neue Weinstil zum internationalen Erfolgsformat, es folgten zahlreiche Nachahmer, und die – inoffizielle – Bezeichnung Supertoskaner für diese Weine wurde geboren.
Bis heute finden sich zahlreiche Weingüter im Chianti-Gebiet, deren teuerster Flaggschiff-Wein ein IGT ist – und man wird von Erzeugern immer auf sie hingewiesen: „Das ist unser Supertoskaner.“ Was man natürlich jederzeit nonchalant behaupten kann.
Sizilien – Der Stern des Südens
Weine aus Süditalien boomen – das ist besonders bestimmten Regionen zu verdanken. Allen voran geht Sizilien: Die Region hat sich als erste im Süden zur Qualitätsregion gemausert, in keiner anderen süditalienischen Region finden sich so viele Top-Produzenten, z. B. Planeta, Cusumano, Tasca D’Almerita oder Donnafugata.
Aufwind auch für kleinere Produzenten brachte die 2013 eingeführte Klassifikation DOC Sicilia, die auch für Öle eingesetzt wird. Unter den Rotweinen von der grössten Insel im Mittelmeer ist es vor allem der Nero D’Avola, der es zu Prominenz gebracht hat: Sein Geschmack ist geprägt von dunklen Früchten wie Kirsche, Brombeere und Cassis sowie von würzigen, manchmal pfeffrigen Noten, seine Tannine sind aber meist weich.
Noch eine Nische für Kenner, aber eine, die es sich zu entdecken lohnt, sind die Rotweine von den Steilhängen des Vulkans: Etna Rosso. Diese Weine stammen nicht selten von 100 Jahre alten Reben, die auf den mineralischen Lavaböden am Ätna wachsen. Die vorherrschenden roten Sorten sind dort Nerello Mascalese und Nerello Cappuccio.
Dabei sind es eigentlich die weissen Rebsorten, die zwei Drittel der Rebfläche Siziliens bewachsen, vor allem autochthone: Grillo, Zibbibo und Cataratto haben es erst seit wenigen Jahren ausserhalb der Insel zu Bekanntheit gebracht – zumindest als trockene Rebsortenweine.
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Denn lange Zeit verwendete man sie fast ausschliesslich zur Herstellung von süssen Dessertweinen wie dem Marsala – ein Weinstil, der heute etwas aus der Mode gekommen ist. Stattdessen kommen heute aus Sizilien duftige, frische Weissweine mit moderater Säure.