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Magnum und Co. – Gross, Grösser, Am Grössten

Magnum und Co. – Gross, Grösser, Am Grössten
Copyright iStockphoto ©halbergman

Grossflaschen sind sexy. Sie zeugen von Geschmack, finanzieller Potenz und der persönlichen Fähigkeit, überdurchschnittlich grosse Mengen Wein zu konsumieren. Kein Wunder, dass vor allem männliche Gäste und Käufer Gefallen finden an überdimensionierten Glasbehältern. Manche Restaurants veranstalten sogar einen Kult um die 1,5 Liter oder ein Vielfaches dieser Menge fassenden Spezialitäten.

Hoch über dem Bodensee steht sie, in einem Appenzeller Bauerndorf. Einen Ehrenplatz hat sie erhalten, und weil die Wände dick und die Türen gut verschlossen sind, ist sie auch nicht in allzu grosser Gefahr, gestohlen zu werden. Nur bestellen kann man sie nicht, die mächtige Flasche. Wann immer man im schweizerischen Gasthaus zum Gupf, einer der besten Adressen der Ostschweiz, nach der Bestimmung jener 480 Liter fassenden Sonderanfertigung fragt, setzen die Verantwortlichen eine verschwiegene Miene auf.

Geplant ist die Öffnung der bis zum Beweis des Gegenteils grössten genutzten Weinflasche der Welt nicht; die enthaltende Trockenbeerenauslese des Weinguts Kracher wird wohl noch eine Weine hinter Schloss und Korken verharren müssen.

Weinkultur und Extravaganz

Die Gupf-Rarität gilt als extrem, ist der Wein-Leidenschaft eines vermögenden Investors zu verdanken. Doch das Monstrum ist ein Indiz für die zunehmende Beliebtheit grosser Weinflaschen – bei privaten Sammlern oder in der Gastronomie. Magnums gelten mehr und mehr als chic, nicht nur bei umfangreicheren Gesellschaften, sondern durchaus auch bei Dreier- oder Vierertischen.

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Und wer sich eine Doppelmagnum (3 Liter) oder eine Impériale (6 Liter) bestellt, für die kleinere oder grössere Tischgruppe, will Weinkultur und Extravaganz zelebrieren, ist womöglich auch einfach ein langfristig orientierter Sammler. In dieser Kategorie von Weinkäufern herrscht nämlich die Überzeugung vor, dass der Wein in grossen Flaschen um ein Vielfaches besser reife als in kleinen.

Eigentlich logisch, da pro Milliliter Wein weniger Sauerstoff eindringen kann als bei einer gewöhnlichen 0,75-Liter-Bouteille. Da die Besitzer dicker Dinger automatisch mehr Sorgfalt walten lassen bei ihren Schätzen, sind viele der auf dem Markt angebotenen Altflaschen in voluminösen Varianten überdurchschnittlich gut gepflegt – was ihren Ruf wiederum zusätzlich stärkt.

BEGEISTERUNG IN DER HÖHE

Die klassische Flöte für Schaumweine
Die klassische Flöte für Schaumweine

Je mehr Höhenmeter, desto mehr grosse Flaschen? Diese ungeschriebene Regel scheint es tatsächlich zu geben. Liegt vielleicht an den spendablen Ski fahrenden Kunden oder an der Alternativlosigkeit der Freizeitgestaltung bei früh einbrechender Dunkelheit und eisigen Temperaturen.

Unverkennbar ist allerdings, dass im kultigen St. Moritz Grossflaschen begehrt sind. Mit gewöhnlichen Magnums (1,5 Liter) oder Jéroboams (bei Rotwein 4,5 Liter fassend) geben sich die Schönen und Coolen nicht mehr ab. Wer als Winzer dabei sein will im Grösstflaschenclub, muss schon Nebukadnezars (15 Liter) abfüllen oder gleich die massiven Primat-Buddeln. 27 Liter passen in Letztere, und in den angesagten Lokalen des Engadins hat man kein Problem damit, solche aufzutreiben.

Im Hotel Arlberg Hospiz im österreichischen Skiort St. Christoph hat Seniorchef Adi Werner sogar einen eigenen Grossflaschenkeller eröffnet, ein paar Schritte vom Haupthaus entfernt. Mittels stählerner, einbetonierter Ringe wurden hunderte der grössten Flaschen unter der Decke fixiert, noch mehr stapeln sich an den Wänden.

Einige sind bereits bezahlt und warten hier, gut temperiert, auf ihre demnächst vorbeikommenden Besitzer, andere darf man zum Mittag- oder Abendessen erwerben. Nicht wenige Weinkenner kämen, so hört man, extra der Magnum-&-Co.-Auswahl wegen ins Luxushotel.

Zu Francis Mallmann ins argentinische Restaurant Patagonia Sur reisen die Gäste zwar in erster Linie des Essens wegen, doch das Faible des legendären Koches für Glas mit viel Inhalt ist bekannt, die Auswahl beachtlich. Und Luciano Marsaglia vom italienischen Ristorante Ostu di Djun in Castagnito treibt den Grossflaschenkult sogar auf die Spitze, serviert Magnums bei jeder Gelegenheit. Austrinken muss man nicht, der verbliebene Rest wird an anderen Tischen angeboten.

Grosser Inhalt, viele Geniesser

Teilen ist eh die beste aller Lösungen. Nichts macht mehr Eindruck als der glasweise Ausschank aus der Magnum, Doppelmagnum oder Balthazar (12 Liter) am Tisch, weshalb immer mehr Sommeliers den Vorteil derartiger Weinbegleitung erkennen.

Immer mehr deutsche, österreichische und Schweizer Winzer wiederum füllen nicht nur halbe und ganze Flaschen, sondern eifern den Bordeaux- und Champagner-Kollegen nach. Dass man das einmal entkorkte Riesengefäss binnen zweier oder dreier Tage verkaufen sollte, treibt nur Newcomern Schweissperlen auf die Stirn; kompetente Weinkellner schaffen so was mühelos.

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Bloss bei der 480-Liter-Flasche aus dem Gupf dürften auch die besten Sommeliers versagen. Um die zu leeren, müssten sie schon 1500 Menschen zusammentrommeln – mehr als einen Drittel Liter Trockenbeerenauslese hintereinander schafft schliesslich kein Mensch.

Und möge Bacchus verhüten, dass ausgerechnet in diesem mächtigen Falle der Korkteufel zugeschlagen hat. Ein paar Moleküle Trichloranisol genügen nämlich, um auch die allergrösste Weinflasche der Welt zu verderben.

Die grössten Flaschen

Magnum: 1,5 Liter Inhalt, weit verbreitet bei Bordeaux, Champagner, italienischen Spitzenweinen etc.

Doppelmagnum, in der Champagne auch Jéroboam genannt: 3 Liter

Jéroboam, auch Réhoboam genannt: 4,5 Liter

Impériale (oder Methusalem): 6 Liter, bei vielen Weingütern das grösste gefüllte Behältnis

Salmanazar: 9 Liter

Balthazar: 12 Liter

Nebukadnezar: 15 Liter

Melchior (oder Goliath): 18 Liter

Salomon: 20 Liter

Primat: 27 Liter, die grösste standardmässig verfügbare Flasche

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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