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Marcus Notaro – Kalifornische Cabernets mit Persönlichkeit

Marcus Notaro – Kalifornische Cabernets mit Persönlichkeit
Copyright Stag’s Leap Wine Cellars

Er führt den Keller von einem der angesehensten Weingüter in Napa Valley. Doch obwohl ihn Wein sein Leben lang begleitete, kam Marcus Notaro zunächst eher als Seiteneinsteiger zum Weinmachen.

Stag’s Leap Wine Cellars in Napa Valley ist eines der Weingüter, die Kalifornien einst auf die Wein-Weltkarte setzten. 1970 gegründet von Warren Winiarski, gehört es heute den beiden Weinimperien Ste. Michelle Wine Estates (US-Staat Washington) und Antinori (Toskana). Marcus Notaro ist seit 2013 Chief Winemaker des Premiumgutes. Als Quereinsteiger stiess der heute 47-Jährige nach dem Studium zu Ste. Michelle Wine Estates und baute sich dort sukzessive ein Renommee auf.

Alice Gundlach: Wann sind Sie zum ersten Mal in Ihrem Leben mit Wein in Berührung gekommen?

Marcus Notaro: Ich stamme aus einer italo-amerikanischen Familie. Mein Vater hat schon immer selbst Wein angebaut, für den Eigenbedarf. Ich habe es immer genossen, wenn wir mit Freunden und Nachbarn beim Abendessen sassen: Der Wein hat dann für interessante Gespräche gesorgt. Als ich dann in Seattle aufs College ging, hatte ich einen Nebenjob als Kellner in einem italienischen Restaurant in Issaquah (US-Staat Washington).

Der Inhaber war sehr weinbegeistert und wollte, dass wir Angestellten auch etwas darüber lernen. Deshalb hat er oft eine Flasche von der Karte geöffnet, damit das Personal davon probiert. Dort durfte ich dann ein paar grossartige Weine probieren: Barolos, Brunellos, Cabernet Sauvignons aus der Neuen Welt. Das hat mein Interesse an Wein sehr befeuert.

AG: Sie haben dann an der University of Washington studiert, aber nicht Weinbau, sondern Ingenieurwesen und Wirtschaft. Wieso?

MN: Als ich studiert habe, war ich mir noch nicht im Klaren darüber, welchen Karriereweg ich einmal einschlagen wollte. Deshalb habe ich zuerst einmal Ingenieurwesen gewählt, weil ich dachte, das ist ein Fach, das sehr weit gefächert ist und das mir helfen würde, egal in welchem Feld ich später einmal arbeiten will.

AG: Wein hat Sie aber auch in dieser Zeit trotzdem immer begleitet.

MN: Schon zu Studentenzeiten bin ich nach Napa Valley gefahren, um dort Wein zu probieren. Auch Stag’s Leap Wine Cellars war eines der Weingüter, das ich damals besucht habe. In meinem Abschlussjahr 1994 habe ich einen Job im Verkostungsraum von Ste. Michelle Wine Estates in Woodinville angenommen. Das war einfach ein toller Studentenjob, und je mehr ich über die Komplexität des Weinmachens gelernt habe, z. B. über Hefen, Fässer und Weinberge, umso begeisterter wurde ich davon.

AG: Und als Sie fertig waren mit der Uni?

MN: Eine Woche nach meinem Abschluss hatte ich drei Jobangebote: Eines als Ingenieur, eines als Statistiker und eines von Ste. Michelle Wine Estates. Ich musste nicht lange überlegen. Ich fing an im Keller von Columbia Crest, einem der Weingüter von Ste. Michelle Wine Estates. Mein erster Lehrer dort war Ray Einberger. Von ihm lernte ich, wie man Cabernet Sauvignon macht.

Ray Einberger gilt als der erfolgreichste und meistprämierte Winemaker im Staat Washington. Bis 2014 arbeitete er für Ste. Michelle Wine Estates. Marcus Notaro wechselte nach seiner ersten Zeit bei Columbia Crest zu Col Solare, einem weiteren gemeinsamen Weingut von Ste. Michelle Wine Estates und Antinori, das ebenfalls im US-Staat Washington liegt. 2013 war es dann soweit: Er wurde leitender Winemaker bei dem Weingut Stag’s Leap Wine Cellars.

AG: Von Washington nach Kalifornien: Das war sicher eine grosse Umstellung?

Hat mit Weinen gut lachen - Marcus Notaro
Hat mit Weinen gut lachen – Marcus Notaro

MN: Einen grossen Unterschied machen die Böden aus. In Washington wächst der Wein quasi in der Wüste, es muss viel bewässert werden. Aber es wachsen dort z. B. auch Äpfel. Die Böden in Kalifornien sind deutlich fruchtbarer. Und während in Washington die Sonne bereits ab fünf Uhr morgens brennt, ist es morgens in Kalifornien zuerst einmal neblig und eher kühl durch den nahen Ozean.

In Napa Valley habe ich im Übrigen viel kürzere Wege zwischen den Weinbergen. Zuerst fahre ich morgens nach Carneros und schaue nach dem Chardonnay. Danach geht es nach St. Helena zum Cabernet Sauvignon, und für die Fahrt brauche ich gerade einmal 40 Minuten.

AG: Ihre Parade-Rebsorte ist Cabernet Sauvignon. Was fasziniert Sie an ihr?

MN: Ich liebe ihre Komplexität, die Aromen wie z. B. Johannisbeere und Brombeere, und auch ihr Alterungspotenzial. Cabernet Sauvignon bringt Weine hervor, die man seinem Kind vom Geburtsjahrgang zum 25. Geburtstag aufmachen kann.

AG: Was, würden Sie sagen, ist der Unterschied zwischen französischen und kalifornischen Cabernet Sauvignons? Haben amerikanische Weintrinker einen anderen Geschmack als europäische?

MN: Das hängt immer von der genauen Region ab, in dem der Wein wächst, und natürlich auch vom Jahrgang. Aber generell würde ich sagen, dass Cabernets aus Kalifornien meist eher ein reiferes aromatisches Profil haben, und auch eine reichhaltigere Textur.

Nach meiner Erfahrung zählt für viele europäische Weinliebhaber – und amerikanische Weinliebhaber, die gerne europäische Weine trinken – die Komplexität und Finesse eines Weines mehr als die Fruchtintensität. Das ist aber natürlich sehr allgemein gesprochen!

AG: Was macht die Weine von Stag’s Leap Wine Cellars aus?

MN: Unsere Weine reflektieren die Region, in der wir unsere Trauben anbauen. Der Stag’s-Leap-Distrikt liegt im Südosten von Napa Valley und ist geformt wie eine Schüssel. Die warmen Temperaturen am frühen Nachmittag werden ausbalanciert von kühlen Brisen am späten Nachmittag und der Kühle am Morgen.

Das gibt den Cabernets komplexe, reife Aromen und eine reichhaltige, runde Textur, die aber nicht schwer ist. Für die Struktur ergibt sich so eine softe Power. Mein Ziel ist es, den höchsten Qualitätsausdruck des Terroirs zu produzieren, das mit dem SLV und dem Fay über Weinberge mit einzigartigen Persönlichkeiten verfügt. Der Cask 23 ist ein Blend aus den besten Fässern von SLV und Fay.

Seinen Namen bekam er übrigens im Jahr 1974 vom Weingutsgründer Warren Winiarski. Er hatte damals die Fässer des aktuellen Jahrgangs durchprobiert und das 23. Fass als herausragend empfunden. Bis heute wird dieser Wein nur in besonders guten Jahrgängen produziert.

Über die Autorin

Alice Gundlach arbeitet seit 2005 als Journalistin, seit 2011 ist sie freie Autorin mit den Schwerpunkten Wein und Food. Davor schrieb sie schon als angestellte Redakteurin regelmässig über Weinthemen.

Sie ist spezialisiert auf die Weinregionen Deutschlands und Italiens.

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