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Prosecco oder Glera – Rebe mit Vergangenheit

Prosecco oder Glera – Rebe mit Vergangenheit
Copyright iStockphoto mattjeacock

Noch vor wenigen Jahren war die Frage nach dem berühmtesten italienischen Perlwein ein beliebtes Mittel, um Anfänger von fortgeschrittenen Weintrinkern zu unterscheiden. Nur Letztere wussten nämlich, dass es sich bei der italienischen Spezialität um eine Traubensorte und nicht um eine mediterran anmutende Bezeichnung für leicht sprudelnde Getränke handelte. Inzwischen stimmt aber auch das nicht mehr.

Prosecco war jahrelang nicht nur das begehrteste Getränk bei Kaffeekränzchen und Junggesellinnen-Partys, sondern Vorbild für Winzer in halb Europa. Weil sich die meist mit italienischem Perlwein gefüllten Flaschen schon in den Neunzigern blendend verkauften, stiegen viele Weingüter jenseits der traditionellen Prosecco-Anbaugebiete ins Geschäft ein.

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Kurzerhand übernahmen sie den zweiten Teil des Begriffes für eigene Abfüllungen, brachten Mosecco (für Mosel-Secco) oder Riesecco (für einen Secco aus Rieslingtrauben) in der Verkauf, liessen sich unzählige, oft geschmacklose Begriffe einfallen. Restbestände liessen sich so, durch etwas Kohlensäure aufgeblasen, mit prächtigem Gewinn verkaufen – und bis heute haben unzählige deutsche Winzer einen sprachlich auf schlechtes Italienisch getrimmten Perlwein im Sortiment. Meist auf der ersten Seite der Weinpreisliste und dort ganz unten, wo gern die billigste Ware versteckt wird.

Prosecco-Karriere

Die ursprünglich vor allem in der Region Treviso im Veneto beheimateten Prosecco-Winzer wussten teilweise nicht, wie ihnen geschah; der Boom war kaum vorauszusehen gewesen, das massenhafte Kopieren auch nicht. Doch ihr süffiger Prosecco traf den Nerv der Zeit. In der Folge wurden die Anbauflächen der traditionellen Rebsorte Prosecco ausgeweitet, die Qualität blieb vielfach auf der Strecke.

Während Wein entdeckende Newcomer den niedrigen Preis schätzten, wandten sich Kenner ab. Und übersahen bei dieser Gelegenheit, dass auch unter den Prosecco-Vertretern überdurchschnittlich gute, ja sogar hochklassige Weine rangierten. Manchmal unter den Frizzante genannten Perlweinen, öfter jedoch bei den Schaumweinen namens Spumante.

Mit dem italienischen Begriff für trocken („secco“) haben sie übrigens beide nichts zu tun, der Name stammt nach Meinung vieler Experten von einem Ort namens Prosecco.

Glera statt Prosecco

Vor allem die ambitionierten Erzeuger erkannten, dass es so nicht weitergehen konnte, initiierten Änderungen. Seit 2010 versteht man unter Prosecco eine italienische Herkunftsbezeichnung, während die alte Prosecco-Traube nun als Glera bezeichnet wird. Für den Verbraucher hat sich de facto nicht viel geändert, und den neuen Traubennamen muss sich kein Mensch merken: Als Prosecco kommt meist immer noch ein Perlwein auf den Markt, also ein nur leicht prickelnder, nicht der Sektsteuer unterworfener und häufig einfacher bis langweiliger Wein.

Doch den drakonischsten Schlampereien und Nachahmungen sind nun ein paar Riegel vorgeschoben. Wer zum Beispiel ausserhalb der Anbauzone Prosecco-Reben besitzt, darf deren Ertrag nicht mehr als Prosecco feilbieten. Glück haben dagegen die Provinzen Veneto und Friuli-Venezia Giulia: In ihnen darf, mit kleinen Einschränkungen, überall Prosecco hergestellt werden.

Still, prickelnd oder luxuriös

Von Qualitäten unter drei Euro sollte man auch nach der Prosecco-Reform wenig Spannung erwarten, doch vor allem beim Prosecco di Conegliano Valdobbiadene DOCG sind höhere Qualitäten zu erhoffen. Vor allem dann, wenn es sich um einen Spumante handelt, wenn der Wein unter der Bezeichnung „brut“ ausgebaut wird (also mit lediglich geringer Dosage angereichert) oder gar die Wörter „Cartizze“ bzw. „Rive“ auf dem Etikett trägt.

Passt in diesen Fällen alles zusammen, gibt sich der Erzeuger Mühe, erwirbt der Kunde einen duftigen, eleganten, aber auch nachhaltigen Schaumwein. Leichter verständlich als viele Champagner, gut geeignet, um Meeresfrüchte oder vegetarische Antipasti zu begleiten, fast nie schwer und unnahbar.

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Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass viele überdurchschnittlich gute Frizzante- und Spumante-Weine auch aus der Prosecco DOC mit dem Zusatz Treviso stammen. Und wenn es schon um vollständige Angaben geht: Tatsächlich existieren auch ein paar stille Weine unter dem Begriff Prosecco, sowohl mit dem Kürzel DOC als auch mit dem Begriff DOCG. Sind diese Weine gut vinifiziert, können sie gekühlt durchaus Spass machen; der vergleichsweise niedrige Alkoholgehalt macht die Sache verträglich.

Nur finden muss man sie, die raren stillen, zu mindestens 85 Prozent aus Glera erzeugten Tropfen. Jenseits der italienischen Grenzen tauchen sie fast nie auf, passen sie doch so gar nicht ins schäumende Klischee, sind für den Export uninteressant. Am besten fragt man vor Ort nach der Rarität, kauft sich einen Käse der Sorte Casatella Trevigiana, Brot und Salami, lässt Gnocchi mit Radicchio vorbereiten und geniesst auf authentische Weise.

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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