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Räuschling – Pech, wer zu spät bunkert

Räuschling – Pech, wer zu spät bunkert
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Schweizer Winzer waren einer traditionellen weissen Rebsorte irgendwann nicht mehr wohlgesonnen, beschimpften sie als Säuerling. Doch dank stetigem Qualitätsstreben wird der Räuschling am Zürichsee wieder als langlebige Spezialität, und nun auch als exklusiver Partywein geschätzt.

Einen Räuschling im Weinkeller zu lagern, galt früher als Zeitverschwendung. Der säuerliche, leichte Weisswein war eher Durstlöscher an heissen Sommertagen, als Wertanlage. Warum auch nicht. Die Hügel am rechten Ufer des Zürichsees können es mit jedem Postkartenstrand aufnehmen. Die Sicht über den See ist einmalig – wer will da schon in Italien brüten.

Wem der Sinn nun doch eher nach Geschichtlichem steht, dem ist das Glück vielleicht im Weingut Schwarzenbach in Meilen hold. Rückblickend scheint die Familie über beachtlich viel Zeit und vor allem Lagerkapazität zu verfügen. Über eine Prise Sturheit wohl auch, denn anders ist kaum zu erklären, warum sie trotz aller negativen Stimmen – der Räuschling sei nicht die Mühe wert – bereits seit dem 19. Jahrhundert Flaschen für die kommenden Generationen aufbewahrte.

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«Gott sei Dank», ist oft von jenen Auserwählten zu hören, die einen dieser Schätze kredenzt bekommen. Denn Frische, Säurestruktur und Trinkfluss eines gealterten Räuschlings sind verblüffend. Aber damit nicht genug. Vor einem knappen Jahrzehnt machte die Zeitgeschichte Halt bei einer Flasche Räuschling aus dem Jahr 1895 des Weinguts Schwarzenbach.

Der heutige Betriebsinhaber, Alain Schwarzenbach, erzählte unlängst, dass dieser Räuschling sogar noch trinkbar gewesen sei, obwohl der Korken bereits ziemlich antik anmutete. Der Wein wurde damals unfiltriert abgefüllt, was sich als schicksalshafte Fügung herausstellte: Im Wein fanden sich Hefezellen, welche folgend zu einer Spezialselektion von historischer Räuschlinghefe vermehrt wurden. «Inzwischen nutzen wir diese Hefe wieder», sagt Schwarzenbach.

Rätselhafte Herkunft

Eines der Synonyme des Räuschlings lautet «Zürirebe». Es deutet also vieles darauf hin, dass die weisse Sorte früher als Brot- und Buttersorte der Winzer am Zürichsee und anderswo in der Deutschschweiz galt. In vielen Gemeinden stand der Räuschling einst im Mischsatz mit den heute in der Region seltenen Rebsorten Elbling und Completer. Die Durchmischung war vor allem eine Art Absicherung gegen Ernteausfälle, denn die Sorten unterscheiden sich in ihren Stärken und Empfindlichkeiten.

Der Räuschling ist besonders zimperlich. Auf Nässe während der Blüte reagiert er unleidlich, und Regen kurz vor der Lese mag er gar nicht. Gründe, weshalb er vor einigen Jahrzehnten fast gänzlich verschwand. Den Winzern war eine Sorte wie etwa der Müller-Thurgau eine begrüssenswerte Alternative, sie verbreitete sich binnen weniger Jahrzehnte.

Nur ein paar Unentwegte blieben dem Räuschling treu, dachten über seinen Namen nach, interessierten sich für den Ursprung. Mittels moderner Genforschung konnte inzwischen festgestellt werden, dass Räuschling ein Abkömmling von Heunisch und einem Traminer-Klon ist, der vermutlich aus dem Osten Europas in die Schweiz gelangte.

Dass sein Name mit dem Rausch zu tun hat, den der Geniesser nach allzu ausgiebigem Genuss bekommt, liegt zwar nahe, ist aber trotz allem eher unwahrscheinlich. Im Mittelalter wurde er als «Drutsch» bezeichnet, erst sehr viel später kam der Begriff Räuschling ins Spiel, der sich wohl vom dunklen Holz, dem Russ, ableitete.

Revival eines Hipsters

Wer heute einen Schweizer Räuschling verkostet, merkt schnell, welche Qualitäten in ihm stecken. Eine feine, wohlabgestimmte Säure ist ihm eigen. Sein Spektrum reicht von eher mineralischer Ausprägung à la Terroir und Kieselstein, bis hin zu delikaten hellen Früchten und einer erstaunlich kräftigen Würze. Wenn die Erträge begrenzt werden, erinnert diese sogar an die Gradlinigkeit eines Rieslings.

Heute sind schweizweit rund 25 Hektaren mit Räuschling angepflanzt. Der Löwenanteil steht am Zürichsee. In den vergangenen Jahren legte er sanft an Anbaufläche zu – nicht nur im Weingut Schwarzenbach, welches seit Ewigkeiten für die Erhaltung der Sorte sorgt. Auch die anderen Räuschling-Weingüter am See lohnen, entdeckt zu werden. Besonders gemütlich geht das am 1. Mai, am «Tag der offenen Weinkeller».

Unbedingt einplanen sollte man einen Abstecher zu den Winzern des Gemeinschaftsprojekts «R3 – 3 Winzer, 3 Böden». Daran beteiligt sind Monica Hasler Bürgi vom Weingut Rütihof in Ürikon, Eric Lüthi aus Männedorf und Hermann «Stikel» Schwarzenbach, der Vater von Alain Schwarzenbach.

Ihr Wein gilt als Hommage an das Weinbaugebiet Zürichsee und präsentiert den Räuschling als typischen Seewein, der aber enorme Komplexität aufweist. Wer an den anderen 364 Tagen des Jahres den Räuschling für sich entdecken will, sollte einen Ausflug ins Weinbistro Stäfa planen und vielleicht sogar nach einer Sorte suchen, die nochmals seltener ist als der bekannte Räuschling. Der Rote Räuschling, eine Mutation mit rötlicher Beerenhaut, gehört zu den Spezialitäten im Weingut Hasenhalde.

Offene Weinkeller 2018; Am 1. Mai und am 5./6. Mai stehen (fast) alle Türen der Deutschschweizer Weinkeller offen: www.offeneweinkeller.ch 

Zürichsee Weinbistro Stäfa: www.sonnestaefa.ch

 Räuschling aus Küsnacht, Weingut Diederik: www.diederik.ch

Räuschling Seehalden, Weingut Schwarzenbach: www.reblaube.ch

Räuschling R 3, Weinbau Lüthi: www.luethiweinbau.ch

Räuschling Höcklistein, Weingut Höcklistein: www.schmidheiny.ch

Roter Räuschling, Weingut Hasenhalde: www.hasenhalde.ch

Über den Autor

Seit vielen Jahren ist Cécile Richards als Fachfrau für Wein und Kulinarik aktiv, journalistisch, beratend und erklärend. Die Weinakademikerin lebt in der Nähe von Zürich und interessiert sich nicht nur für gealterten Schweizer Chasselas, sondern auch für Schaumweine und spannende Begegnungen mit Winzern und Köchen.

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