Die vielleicht italienischste aller Rebsorten verbindet man vor allem mit den grossen Weinen der Toskana. Doch nicht nur hier ist er zu Hause – und das zeigt er auch.
Sein Name bedeutet – vermutlich – „Blut des Jupiters“. Das würde jedenfalls ganz gut passen, denn die alten Römer widmeten ihrem Göttervater einst mehrere Weinfeste, die Vinalien, und zu Beginn jeder Weinlese wurde ihm damals den Überlieferungen zufolge ein Lamm geopfert.
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Kräftig in der Farbe, Säure und bei den Tanninen, so ist der Sangiovese. Und so dauerte es auch eine Weile, bis man ihn gezähmt hatte. „Sangiovese ist für viele nicht die Liebe auf den ersten Blick, denn er ist nicht jedem sofort eingängig“, meint etwa Mauro Giardini, Önologe des Weingutes Villa Venti, Roncofreddo (Emilia Romagna). Und dennoch sprechen wir von der meistangebauten Sorte Italiens: Hier besetzt er rund 10 % der Rebflächen, und zwar meist in Mittelitalien.
Bauernwein und Krönung der Weinschöpfung
Der Chianti etwa, der wohl berühmteste Wein aus Sangiovese, ist eigentlich als einfacher, rustikaler Bauernwein angelegt. So trat er auch in den 1960er Jahren in bauchigen Korbflaschen („fiasche“) von der Toskana aus seinen Einzug in die weite Welt an. Etwas anderes ist die Variante Chianti Classico, die trotz intensiver Kirsch- und Beerenaromen und einer kräftigen Statur auch viel Eleganz mitbringt.
Ähnlich ist es mit dem Vino Nobile di Montepulciano und dem Morellino di Scansano. Gekrönt wird das ganze vom Brunello di Montalcino: Er muss immer, im Gegensatz zu den anderen genannten, komplett aus Sangiovese bestehen. Dazu gilt er als einer der Höhepunkte der italienischen Weinkultur: Mindestens vier Jahre reift der Wein, davon zumindest zwei im Holzfass – das Ergebnis ist ein schwerer, fülliger und dabei höchst eleganter Wein, der 20 Jahre und mehr altern kann.
Vom Massenwein zum Klassewein – so könnte man die Erfolgsgeschichte der Rebsorte in den vergangenen 50 Jahren bezeichnen. „Wird beim Sangiovese der Ertrag reduziert, verbessert sich seine Qualität quasi automatisch – und das ist nicht bei allen Rebsorten so,“ erklärt Paolo Trimani, Weinexperte und Inhaber der Enoteca Trimani, Rom.
Toskana oder Emilia Romagna – wer hat’s erfunden?
Aber noch eine andere Eigenschaft hat der Sangiovese: Er zeigt sehr gut die Böden an, auf denen er gewachsen ist. Und diese kommt besonders in seiner zweiten grossen Heimat zum Tragen: der Emilia Romagna. Viele sind sogar der Ansicht, dass die Emilia Romagna eigentlich die erste Heimat der Rebsorte sei: „In der Region Predappio wurde Sangiovese im Jahr 1383 erstmals angebaut“, berichtet etwa Alessandra Fiorino, Önologin des Weingutes Condé.
Allerdings ist die Quellenlage hier unsicher: Manche vermuten, dass zumindest ein Vorläufer des Sangiovese schon den Etruskern vor 2000 Jahren bekannt war. Andere Experten nennen das Jahr 1590 als erste urkundliche Erwähnung – in der Toskana. Mit anderen Worten: Nix genaues weiss man nicht. Die Nachbarregion der Toskana ist im Ausland viel weniger bekannt – und das, obwohl gar nicht wenig vom Sangiovese Romagna exportiert wird.
Die Böden sind hier sehr reichhaltig und teilweise von Muschelkalk geprägt, denn in der Region erstreckte sich vor vielen Millionen Jahr einmal das Urmeer. Kommt man näher an die Küstenregionen der Emilia Romagna, etwa rund um Rimini, werden auch die Böden der Weinberge sandiger. Und all das merkt man dem Sangiovese auch deutlich an.
Grosse Beeren – grosse Fässer
„Unsere Sangiovesi sind fruchtbetonter als die der Toskana, dafür aber auch mit rustikaleren Tanninen ausgestattet“, erklärt Dr. Francesco Bordini, Inhaber des Weingutes Villa Papiano (Modigliana) und in der Region gefragter Önologe. „Ausserdem sind die Beeren des Sangiovese Romagna grösser als die in der Toskana, deshalb sind sie zunächst weniger konzentriert.“ Doch der grossbeerige Sangiovese ist andererseits auch die Grundlage des grossen Brunello, und in der Emilia Romagna greifen viele zu ähnlichen Mitteln beim Ausbau wie in Montalcino.
Konkret bedeutet das: gereift werden viele Weine, vor allem die Riservas, in grossen Holzfässern aus französischer oder slawonischer Eiche, und nur selten in kleinen Barriques. „Die grossen Fässer bringen die charakteristische rote Frucht der Rebsorte am besten zum Ausdruck“, erklärt Bordini. Zur opulenten Frucht gesellt sich dann in der Regel auch eine deutlich kalkige oder manchmal auch salzige Mineralik – Stichwort: Bodenanzeiger.
Frucht und Boden aus dem Edelstahl
Aber wenn es in der Hauptsache um Frucht und Boden gehen soll, ist Holzreife nicht immer vonnöten. Deshalb wird ein Gutteil der Sangiovese-Weine in der Romagna stattdessen im Edelstahl ausgebaut. Das bringt sehr frische, früh zugängliche Weine, abgemilderte Tannine – und eben die volle Mineralik am Gaumen. „Ich bin kein grosser Fan von Holz, deshalb mag ich vor allem die Variante Superiore, für die keines vorgeschrieben ist“, erklärt Bordini. „Das ist die moderne Art des Sangiovese Romagna.“
Der ehemalige Underdog kann heute also mit vielen Facetten aufwarten. Zum einen durch verschiedene Ausbaumethoden, zum anderen aber vor allem durch seine regionalen Prägungen. Oder, wie es Paolo Trimani ausdrückt: „Sangiovese wird immer mehr zu einem Terroirwein. Und wir brauchen immer die Herkunft, um einen Wein zu definieren.“