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Mosel-Streifzug – Weine aus wurzelechten Rebsorten

Mosel-Streifzug – Weine aus wurzelechten Rebsorten
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Deutschlandweit existieren nur noch an der Mosel wurzelechte Reben in großer Zahl. Weil keine ungepfropften Reiser nachgepflanzt werden dürfen, sind diese Flächen langsam, aber sicher dem Untergang geweiht. Es sei denn, die Winzer kümmern sich nicht allzu intensiv um das Gesetz und erneuern Ausfälle klammheimlich. Doch auch ohne Rechtsverstöße wird es zumindest noch ein paar Jahrzehnte lang Weine aus original wurzelnden Raritäten geben. Wer solche Spezialtropfen einmal verkostet hat, will oft nichts anderes mehr trinken.

Als vor ein paar Jahren die Flurbereinigung für den Mittelmoselort Wehlen angekündigt wurde, war die Stimmung unter den Spitzenwinzern gereizt. Bereinigte Flure mögen gut geeignet sein für die maschinelle Bearbeitung, sie erlauben die Drahtrahmenerziehung im Gegensatz zur moseltypischen Einzelpfahlbewirtschaftung, sie senken die jährlichen Unterhaltskosten.

Doch sie vernichten zumindest an der Mosel auch große Mengen alter, wurzelechter Rieslingreben. Was nach Abschluss der Baumaßnahmen neu gepflanzt werden darf, ist weder alt noch natürlich wurzelnd, sondern auf resistente Verwandte der heimischen Rebe aufgepfropft.

RARITÄTEN MIT GEFAHRENPOTENZIAL

Die Moselwinzer sind nicht die einzigen europäischen Erzeuger, die noch urige Pflanzen besitzen. Doch nirgendwo in Deutschland werden annähernd so viele Originalstöcke gepflegt wie zwischen Koblenz und Perl. Ganz genaue Zahlen existieren nicht, doch von allen wurzelechten Reben in Deutschland befinden sich die allermeisten an der Mosel – fast ausschließlich Riesling. Doch weil die bis zu 120 Jahre alten Stöcke nach ihrem Ableben nicht mit ihresgleichen ersetzt werden dürfen, ist ein Ende der Rarität abzusehen.

Experten begrüßen diese Einschränkung sogar, denn die Reblaus, die sich in den steilen, schiefrigen und vergleichsweise kühlen Hängen von Mosel, Saar und Ruwer bislang nicht ausbreiten konnte, scheint sich in Folge des Klimawandels allmählich heimisch zu fühlen. Noch ist die Gefahr nicht dramatisch groß, aber ganz von der Hand weisen kann man die Möglichkeit einer Reblaus-Invasion nicht – zumal die häufig zu beobachtenden verwilderten Weinberge, sogenannte Drieschen, geradezu Zuchtanlagen für Schädlinge darstellen. Gepfropfte Reben, wie sie auch an der Mosel schon lange vorherrschen, bannen diese Gefahr zumindest weitgehend.

BLICK INS 19. JAHRHUNDERT

Die Begeisterung der Winzer für alte, nicht mit Unterlagen kombinierte Reben ist mit Nostalgie ebenso zu begründen wie mit langjährigen Erfahrungen. Ob die wurzelechten Rieslingstöcke der Mosel immer die besseren Weine ergeben, kann man lange diskutieren, denn Uraltanlagen wie der 1896 angelegte Weinberg des Leiwener Weinguts Carl Loewen ergeben nur einen mikroskopischen Ertrag von natürlicher Konzentration. Was Inhaber Karl Josef Loewen aus der historischen Parzelle im Maximin Herrenberg gewinnt – einige tausend Stöcke erbringen oft nicht mal 1500 Flaschen –, weist eine atemberaubenden Mineralität auf.

Rechnet man dazu, dass alte Anlagen wie diese nicht mit einem gezüchteten Riesling-Klon bestockt, sondern aus verschiedenen Pflanzen selektiert wurden, wird die Erklärung für die unstreitig besondere Klasse alter Weinberge noch um eine Facette erweitert. Dass wurzelechte Reben widerstandsfähiger gegen manche Krankheiten sein sollen als die neuen, beschwören übrigens viele altgediente Moselwinzer.

NACHPFLANZEN, ZUMINDEST EIN BISSCHEN

Die Winzer in Wehlen mussten, nach Abschluss der Flurbereinigung, in den sauren Apfel beißen. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als die zugeteilten Parzellen mit erstklassigen Pfropfreben nachzupflanzen und darauf zu hoffen, dass die Weinqualität in ein paar Jahren annähernd wieder auf dem Niveau von früher sein wird.

Wo allerdings keine Flurbereinigung durchgeführt werden kann, weil die Weinberge zu felsig oder unzugänglich sind, bleibt die Historie erhalten. Sogar die Ergänzung abgestorbener Pflanzen wird bisweilen praktiziert.

Einige Moselwinzer interpretieren die Vorschriften nämlich großzügig und ziehen aus abgeschnittenen Reisern selbst einzelne neue Reben. Die Triebe müssen einfach in Wasser vorgezogen werden und können dann, in den Hang vergraben, ausgefallene Altreben ersetzen. Nicht ganz legal, aber verständlich. Und solange die Reblaus und die Weinkontrolle nicht Wind davon bekommen, auch kein großes Problem.

Moselweine von wurzelechten Reben

Weingut Bernhard Eifel, www.weingut-bernhard-eifel.de

Weingut Carl Loewen, www.weingut-loewen.de

Weingut A. J. Adam, www.aj-adam.com

Weingut Markus Molitor, www.markusmolitor.com

Weingut Stein, www.stein-weine.de

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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