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Wein & Architektur – vom Keller zum Kult

Wein & Architektur – vom Keller zum Kult
Copyright Bosjes

Wein schmeckt gleich noch einmal besser, wenn er in einer stilvollen Umgebung getrunken wird. Das denken sich längst viele Winzer und fusionieren ihre edlen Tropfen mit ausgesuchter Architektur.

Funktional muss sie sein. Das ist mal Fakt. Denn in erster Linie ist Weinarchitektur dazu da, der Produktion und Präsentation von Wein zu dienen. Doch da es um den Rahmen für den vergorenen Traubensaft geht, geht es auch um Genuss. Auch das ist Fakt. Und dieser findet sich gern in den schönen Dingen: Ein gutes Glas Wein ist für den Gaumen ebenso ein Genuss wie es eine Weinlandschaft oder eine gelungene Architektur für das Auge ist.

Kein Wunder also, dass dieses Dreigespann bereits seit der Römerzeit einhergeht. Beeindruckend sind bis heute die alten Gewölbekeller, die über steile Stufen unzählige Meter ins Erdreich führen und dort – in der konstanten Kühle – zeigen, was von Menschenhand vor fast zwei Jahrtausenden geschaffen wurde.

Weingut Nikolaihof, Wachau

Ein hervorragendes Beispiel für so einen historischen Schatz, der gut verborgen unter der Erde liegt, ist beispielsweise das biodynamische Weingut Nikolaihof in Mautern in der Wachau. Seine Wurzeln lassen sich auf das Jahr 63 n. Chr. zurückführen. Kein Wunder, dass es in all dieser Historie der Inhaberfamilie Saahs ein Anliegen ist, ihren Wein im Einklang mit der Natur herzustellen. Mit Erfolg, denn dem jungen Winzer Nikolaus Saahs, der das familiär geführte Weingut 2005 übernahm, gelang der Ritterschlag von Weinkritiker Robert Parker: Für seinen Riesling Vinothek 1995 erhielt er 100 Punkte, weltweit eine absolute Seltenheit.

Ein Erfolg, den die Familie nicht zuletzt den architektonischen Wurzeln des Weinguts und dem daraus einhergehenden Bewusstsein für das Miteinander zwischen Mensch und Natur, verdankt. „Wer täglich in so einer alten Kostbarkeit wandelt“, sagt Hausherrin Christine Saahs, „dem ist es ein Herzensbedürfnis auch an den Erhalt und die Zukunft zu denken.“

Es wird wieder gebaut

Doch nicht nur unterirdisch, sondern vor allem überirdisch ist Weinarchitektur etwas ganz Besonderes. Die alten Lesehöfe der Wachau, Schlösser in Frankreich oder prachtvolle Anwesen im Napa Valley. Auch wenn es mancherorts lange Zeit so schien, als haben die Winzer diese baulich schöne Verbindung zu ihren Erzeugnissen in den letzten Jahrzehnten etwas ausser Acht gelassen, so finden sich doch mehr und mehr beeindruckende Beispiele für stilvolle, moderne und auffallende Weinarchitektur. Überall auf der Welt entstehen spannende, aussergewöhnliche und beeindruckende Neu-, Um- und Anbauten, die nicht selten auch bekannte Stararchitekten auf den Plan rufen.

Weingut Gantenbein, Schweiz

Überdimensionale weisse Heftzwecke bewachen die wertvollen Weinfässer.
Überdimensionale weisse Heftzwecke bewachen die wertvollen Weinfässer.

Das Potential ihrer Weine kennen Martha und Daniel Gantenbein, die am Rande des Schweizer Weindorfes Fläsch im Bündner Rheintal gedeihen. Massgebend für das Winzerehepaar ist die Rebe, die sie so schonend und authentisch wie möglich vom Weinberg in die Flasche bringen. Diese Echtheit war ihnen auch bei der baulichen Erweiterung ihres gleichnamigen Weingut Gantenbein ein Anliegen. „Architektur hat uns schon immer gefallen“, so Winzer Daniel Gantenbein. „Gute Architektur allerdings muss sich zu 100 Prozent dem Zweck unterwerfen, in unserem Fall die Arbeitsabläufe unterstützen.“

So spannten sie das Architekten-Trio Valentin Bearth, Andrea Deplazes und Daniel Ladner ein, dem ursprünglichen Hauptgebäude einen modernen und zugleich funktionalen Partner an die Seite zu stellen. Im Untergeschoss liegt eine Speditionshalle, eine Cuverie im Erdgeschoss und ein Gastraum in der obersten Etage. Auch hier wurde im Einklang mit der Schwerkraft geplant: Der Fluss des Weines, die Temperaturregulierungen und die Abfolge der Arbeiten haben das Raumprogramm bestimmt. So ist ein kulturell anspruchsvoller Bau entstanden, der im Inneren durchaus Köpfchen beweist.

Bosjes Winefarm, Südafrika

Der Blick ans andere Ende der Welt: Auch wenn die südafrikanischen Winzer bislang immer wieder den Hang dazu haben, ihre Weine mit den namhaften Gewächsen aus der alten Welt – der Weinwiege Frankreich mit ihrem berühmten Tropfen – zu vergleichen (was sie angesichts ihrer geschmacklichen Authentizität bei Weitem nicht müssten!), zeigen sie in Sachen Weinmarketing ein beachtenswertes Selbstbewusstsein. Nicht nur in Ideen, die Weingüter mit Food-Märkten, Spitzenrestaurants, Picknick-Locations und vielseitigen Events für Besucher attraktiv zu gestalten. Auch die Weinarchitektur setzt am Kap der guten Hoffnung Massstäbe.

Denn auch wenn die Weinfarm Bosjes im malerischen Breede-Tal, circa 90 Autominuten von Kapstadt entfernt, selbst bislang noch keinen eigenen Wein produziert: Der perfekte Rahmen für die Rebstöcke, die jüngst angepflanzt wurden und in einigen Jahren für eigene Weine sorgen werden, ist auf beeindruckende Weise gelungen. In Form einer futuristischen Kapelle mit einem dramatisch geschwungenen, fliessenden Dach inszenierte Architekt Coetzee Steyn das Hauptgebäude, das er scheinbar über zwei grossen Wasserbecken schweben lässt.

Zudem fängt er die beeindruckende Region ein, die – dank der umliegenden Glaswände – stets sichtbar ist. Derzeit ist die Weinfarm mit Wurzeln im Jahre 1790 hauptsächlich als Wochenenddomizil zum Wohnen auf dem Land, als Event-Location für besondere Feierlichkeiten und, dank des hervorragenden Restaurants, auch als Genussziel in Betrieb.

Tokara, Südafrika

Tokara – im Herzen der Weinlandschaft Stellenboschs gelegen – hingegen wurde unlängst als eines der 50 aussergewöhnlichsten Weingüter der Welt ausgezeichnet. Zu recht, denn hier folgt man der weisen Devise des amerikanischen Weingotts Robert Mondavi: „Guten Wein zu machen ist eine Fähigkeit, einen grossen Wein zu machen eine Kunst.“ Getreu diesem Leitsatz steht neben dem hohen Anspruch an das vinophile Ergebnis in der Flasche auch das Zusammenspiel von beeindruckender Architektur mit Kunst.

So wird der Besuch des Weinguts ganz leicht tagesfüllend: Neben der Weinverkostung bietet das modern gestaltete Weingut einen Ausflug in die Welt ausgezeichneter Künstler, deren Skulpturen und Gemälde in jedem Moment zu besichtigen sind – auch im vielfach prämierten Gourmetrestaurant, das einen einmaligen Blick über die Weinregion und die False Bay hat.

Weingut am Stein, Deutschland

Dass alt und neu perfekt zueinander finden können, beweist das oberhalb von Würzburg gelegene biodynamische Weingut am Stein. Die Konzentration auf die einfachsten Formen – nach dieser Maxime baut Ludwig Knoll nicht nur seine Weine aus, er lebt sie auch in der Bauweise des Weinguts. Das gemütliche Haupthaus fusionierte er vor einigen Jahren mit einem mit Muschelkalk verkleideten Quader, der markant aus den Weinbergen der fränkischen Lage Würzburger Stein hervorsticht.

Neben dem zusätzlichen Quader, in dem ein modernes, komfortables Gästehaus mit drei separaten Schlafzimmern liegt, beherbergt das Weingut somit neben der eigentlich Weinproduktion einen wunderschönen Verkostungsbereich und mit dem Gourmetrestaurant Reiser die perfekte Anlaufstelle für Feinschmecker, die die Fusion von gutem Essen mit hervorragenden Weinen zu schätzen wissen.

Weingut Petra, Italien

Wild und unberührt ist die Maremma, die Küste der Toskana. Hier im Nirgendwo kreierten Freigeister ambitionierte Weinprojekte, die nicht nur im Wein an sich für Aufsehen sorgen. Auch baulich stechen sie aus der sonnengeschwängerten grünen Landschaft, die so typisch für diese Region Italiens ist, heraus. In einem von ihnen verwirklichte Stararchitekt Mario Botta die Vision des Unternehmers Vittorio Moretti: Das Weingut Petra bietet in seiner einzigartigen Architektur und opulenten Strenge einen faszinierenden Kontrast zur natürlichen Strenge der angelegten Weinberge. Es zeigt – bei näherer Betrachtung – den Querschnitt einer Weinrebe.

Doch wie gesagt: Architektur, die sich um die Weinproduktion rankt, hat nicht äussere Werte. Das Innere des modern anmutenden Konstrukts setzt in simpler und nachhaltiger Weise auf das Gravitationsprinzip: Alles ist so konstruiert, dass die Trauben, der Most und der Wein stets der Schwerkraft folgen – ohne dabei technische Hilfsmittel zu benötigen. Sie wandern ganz einfach in jedem einzelnen Produktionsschritt eine Etage nach unten. Unberührte Natur, beste klimatische und „un-technische“ Voraussetzungen – gepaart mit einem baulichen Monument für den Wein – all das steht für Weine, die grosses Potential haben.

Weitere Weingüter, die auf eine besondere Architektur setzen

Weingut Schmidheiny, Rheintal, Schweiz
Weingut Köbelin, Kaiserstuhl, Deutschland
Weingut Dreissigacker, Rheinhessen, Deutschland
Weingut Antinori, Chianti, Italien

Entdecken Sie erlesene Weine des Weinguts Antinori bei weinclub.ch

Quinta do Vallado, Douro-Tal, Portugal
Primo Estate, Australien
Los Herederos del Marqués de Riscal, Rioja, Spanien

Probieren Sie doch mal einen Weisswein von Marqués de Riscal

Dominus Estate, Napa Valley, USA

Über die Autorin

Es gibt sie ganz selten. Doch Anja Hanke hat das grosse Glück zu ihnen zu gehören: Den Menschen, die ihr Hobby zum Beruf machen konnten.

Sie liebt gutes Essen, handgefertigte Weine, erlesene Produkte und diese Verbindung an den verschiedensten Orten dieser Welt einzufangen – und für ihre Leser genussvoll aufzubereiten.

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