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Beaujolais – ein Anbaugebiet vor der Renaissance

Beaujolais – ein Anbaugebiet vor der Renaissance
Copyright Kevin Miller

Wenn es eine Liste der am wenigsten angesagten Weine gäbe, stände der Beaujolais weit oben. Kaum jemand redet über den aus Gamaytrauben (rot) oder Chardonnay (weiss) zubereiteten Franzosen. Und selbst die im Herbst startende Sitte der Primeur-Events hat sich weitgehend aus dem Bewusstsein der Weintrinker verabschiedet. Den etwas anderen Burgunder zu entdecken, ist dennoch ein Erlebnis.

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Küchenchef Cyril Laugier ist die Fröhlichkeit in der Person. Seine Speisen dekoriert der Inhaber der Auberge du Paradis in Saint-Amour gern farbenfroh, an Gewürzen spart er nie. Weil aber alles bestens zusammenpasst, hat ihm der Guide Michelin mit Recht einen Stern zuerkannt – ebenso wie dem japanisch orientierten Restaurant Au 14 Février auf der anderen Strassenseite. Womit dem Beaujolaisdorf Saint-Amour der Titel des Städtchens mit den meisten Sternerestaurants je Einwohner weit und breit zukommt.

Viele Crus, wenige Jahrgänge

Weinberge in der Beaujolais Region
Weinreben in der Beaujolais Region

Mehr noch: Saint-Amour ist nicht irgendein Dorf mit Reben, sondern einer der zehn Crus der Region; hier werden also quasi offiziell die besten Weine des kleinen Anbaugebietes produziert.

Kenner reden gern davon, dass die Weine aus Saint-Amour eher lieblich, jene aus Fleurie mehr floral, die aus Moulin-à-Vent am langlebigsten seien – ein bisschen Legende, ein bisschen Wahrheit. Die Weinkarte der Auberge du Paradis listet jedenfalls eine Fülle an roten und weissen Sorten, erlaubt hemmungsloses Ausprobieren.

Mindestens ebenso wichtig wie die Böden sind übrigens die Ideen der Winzer. Um die zu erfahren, muss man sich auch nicht so anstellen und vorbereiten wie an der Côte d’Or, wo die angeblich ganz grossen Rotweine wachsen; im Beaujolais geht es familiär zu, die Erzeuger empfangen ohne Allüren, schenken gern die letzten beiden Jahrgänge aus – den einfachen Beaujolais, den oft besseren Villages, schliesslich die ein, zwei oder mehr Crus, die man bewirtschaftet.

Potenzial für Reife

Noch ältere Weine sind nicht an der Tagesordnung. Selbst bei den namhaftesten Weingütern muss man energisch nach reifen Raritäten fragen, bekommt sie zwar manchmal zu kosten, oft in verblüffender Qualität, aber selten zu kaufen. Die Nachfrage nach zehn Jahre gereiften Roten aus der Gamaytraube ist halt gering.

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Selbst dann, wenn es sich um Terroir-Beaujolais handelt wie den mineralisch-würzigen „Les Hauts de la Rochelle“, den das Château du Moulin-à-Vent keltert; Schönung und Filtrierung sind hier tabu, der Wein lagert in zumeist gebrauchten 228-Liter-Fässern, die Rebstöcke sind alt. Was freilich keine Besonderheit ist im Land der knorrigen, knapp über der Erde Früchte tragenden Pflanzen; kaum anderswo in Frankreich gibt es so viele Weinberge, die schon vor 70, 80 oder gar 100 Jahren angelegt wurden.

Gross, klein, experimentell

Einen kompletten Überblick über die Crus und alle anderen Ausprägungen der Region liefert bereits ein ambitionierter Grosserzeuger wie Henry Fessy, sehr viel individueller geht es bei Yvon Métras zu.

Zu den originellsten Weinen gehören auch jene von Gilles Gelin von von der Domaine des Nugues, und auf Château Thivin kann man gut die Unterschiede zwischen den im grossen und im kleinen Fass ausgebauten Rotweinen herausfinden. In der Domaine du Vissoux wiederum sorgt man gleich für mehrere Überraschungen. Erstere betrifft die nicht immer aussagekräftige Klassifikation: Zwar sind hier auch die Crus von faszinierender Kraft, doch beeindruckt die einfach als Beaujolais AOC mit dem Zusatz „Cuvée Coeur de Vendanges – Vignes centenaires“ bezeichnete Abfüllung fast noch mehr.

Überraschung Nummer zwei betrifft einen ziemlich unbekannten Vertreter der hiesigen Weinbauszene, den Schaumwein. Der wird hier in bemerkenswerter Güte gekeltert, heisst aufgrund rechtlicher Bestimmungen allerdings lediglich Crémant de Bourgogne.

Gamay auf alte Art

Noch eine Überraschung nennt sich Terres Dorées und ist seit vielen Jahren das innovativste Weingut der Gegend. Inhaber Jean-Paul Brun hat es sich zum Prinzip gemacht, ausschliesslich Beaujolais à l’ancienne zu erzeugen, also handwerklichen Rot- wie Weisswein, ohne selektionierte Hefen und vor allem ohne eines der modernen Übel des Beaujolais.

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Die Anreicherung mit Zucker hat den Charakter vieler in der Region gekelterter Weine nämlich stark verändert, hat zu mächtigen, gar nicht typischen Gamays mit 13,5 und mehr Volumenprozenten Alkohol geführt.

Jean-Paul Brun praktiziert das Gegenteil und begeistert auch Beaujolais-Muffel rasch von der Güte der so wunderbar frischen und eleganten, sogar zukunftsträchtigen Getränke-Kategorie. Die Renaissance des aus der Mode gekommenen Weines hat offenbar gerade erst begonnen.

Auf einen Blick: 10 Beaujolais Winzer, die man sich merken sollte

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

Kommentare

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Horst Schaflinger

Guten Tag Herr Faßbender
Vielen Dank für ihren aufschlussreichen Artikel über das Beaujolais. Da wir dorthin im Frühjahr eine Kurze Weinreise planen, möchte ich Sie fragen ob sie mir einen Tipp für eine schöne aber nicht allzu teure Unterkunft geben könnern
Herzliche Grüße aus Vorarlberg

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