Zwischen Pünderich und Koblenz galten sie lange als eine aussterbende Art. Doch jetzt sieht man sie wieder häufiger in den Weinbergen: Jungwinzer.
Knochenjob. Anders kann man die Arbeit in den Weinbergen an der Terrassenmosel nicht nennen. So steil wie im Hochgebirge stehen die Rebzeilen an dem Abschnitt der Mosel zwischen Pünderich und Koblenz übereinander. Die Steigung beträgt teilweise 70 Grad, also fast senkrecht. Hier, das versteht sich von selbst, kommt keine Erntemaschine durch – das bedeutet, dass man nur mit der Hand lesen kann.
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Kein Wunder also, dass der Weinbau hier Nachwuchssorgen hat. Viele kleine Winzer ohne Nachfolger haben aufgegeben. Manche grössere Weingüter haben ihre Flächen übernommen, ein Gutteil liegt aber brach. Lange sah es so aus, als würde die Jahrtausende alte Weinkultivierung in der Region langsam absterben. Doch seit einigen Jahren gibt es wieder Hoffnung: Eine neue Winzergeneration hat sich auf den Weg gemacht. Ihr Ziel: Den Steilhängen Top-Weine abtrotzen, die der Lagenvielfalt der Region gerecht werden.
Abkehr von den Kategorien trocken, halbtrocken, lieblich
In Winningen, kurz hinter Koblenz, blickt man hoffnungsvoll auf die wachsende Schar der Jungtalente: In den vergangenen Jahren sind nach langer Zeit wieder elf junge Winzer gestartet.
Einer von ihnen ist der Matthias Knebel. Er vertritt einen Ansatz, den man an der Mosel häufiger antrifft: Die Abkehr von den Geschmackskategorien trocken, halbtrocken und lieblich: „Ich bin kein Freund von diesem analytischen Denken.“
Dieser Meinung ist auch sein Kollege Florian Kröber vom Winninger Weingut Kröber: „Ich probiere die Weine im Keller und baue sie dann so aus, wie sie mir schmecken. Auf die Restsüsse achte ich dabei nicht so sehr.“
Als Beispiel dafür verkostet er seinen 2014 Riesling Winninger Uhlen „S“: Er geht astrein als trocken durch, bei exotischen gelbfleischigen Fruchtnoten. Bei seinem Restzucker-Gehalt von knapp 8 g/l, erklärt der Winzer, sei er aber eigentlich feinherb. Wichtiger, findet Matthias Knebel, sei eine genaue Lagenbezeichnung – wie sollte es an der Mosel auch anders sein.
Als Absolvent der Weinbau-Hochschule Geisenheim weiss er natürlich auch, dass Weingüter und ihre Region nicht nur Topweine produzieren, sondern sie auch wirksam bewerben müssen. „Winningen ist seit jeher bekannt für gute Weine, es haben aber lange gewisse Aushängeschilder gefehlt.“
Sein Portrait ziert eines der Motive der Imagekampagne „Faszination Mosel“ der Gebietsweinwerbung. Die Lorbeeren für die Prestigearbeit, findet Knebel, gebührten aber jemand anderem: „Da ist Reinhard jemand, der das sehr gut beherrscht.“
Lehrstücke vom Altmeister
Reinhard – das ist Reinhard Löwenstein, der wohl bekannteste Winzer der Terrassenmosel, der sich mit der Rekultivierung von Steillagen einen Namen machte. „Alle guten Dinge auf der Welt kosten viel Arbeit“, verkündet er. „Und ich bin gegen Rationalisierung, wenn die Qualität darunter leidet. Aber genau das wurde und wird auch an der Mosel permanent gemacht.“
In der 1980er Jahren begann er, Steillagen zu kaufen und wieder aufzuarbeiten. Seine Richtung: Gegen den Trend. Keine Subventionen, weil man Steillagen angeblich nicht rentabel bearbeiten kann? „Was soll’s.“ Wein ist ein Naturprodukt? „Nein. Ein Weinberg ist keine Natur-, sondern eine Kulturlandschaft. Nicht Gott hat den geschaffen, sondern der Urgrossvater.“
Warum er so leidenschaftlich in Diskussionen einsteigt: „Ich bin auf der Suche nach etwas, das weiterbringt, das provoziert – im positiven Sinne.“
Das Besondere gibt dem Wein seiner Meinung nach – neben dem Können des Winzers – die Lage. Die stellt er bei der Präsentation seiner Weine auch besonders heraus: Vom gelbem Boden kommt etwa sein 2014 Riesling Röttgen Grosses Gewächs. Er hat Schmelz, gleichwohl Zitrusfrucht, am Gaumen rund mit Röstaromen. Knackig und mineralisch dagegen der 2014 Riesling Uhlen Laubach Grosses Gewächs von Kalkboden mit Sandgehalt.
„Wild finden wir gut“
Bis heute beeinflusst Löwenstein die jungen Winzer in seiner Region.
In seinem Betrieb begannen z.B. die beiden Geisenheim-Absolventinnen Jessica Schmitt und Rebecca Materne als Kellermeisterinnen ihre Karriere, bevor sie sich selbstständig machten.
Mit ihrem Startup-Weingut Materne&Schmitt haben sie 2012 ihren ersten Jahrgang geerntet. Wobei „Weingut“ eher im übertragenen Sinne gemeint ist: „Wir haben kein eigenes Gut, keinen Traktor, bei der Lese helfen uns Familienmitglieder.
Einen Keller haben wir in Winningen von einer sehr netten ehemaligen Winzerin gemietet,“ berichtet Jessica Schmitt.
Die beiden Jungwinzerinnen lieben die Herausforderung, könnte man sagen: 2,8 Hektar Weinberge haben sich die beiden zusammengekauft – nur Steillagen, die sie fast alle rekultivieren mussten.
Zum Beispiel einen halben Hektar in der Lage Lehmener Würzlay: „Der Weinberg war am Anfang schon etwas wild und mit Brombeerranken überwuchert. Vorher war er zwar verpachtet, aber der Pächter hat sich drei Jahre lang nicht darum gekümmert“, erklärt Rebecca Materne und betont: „Wild finden wir aber gut. Wir nutzen deshalb auch keine Herbizide und düngen auch nicht.“
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Alle Weine vergären sie spontan, also ohne Reinzuchthefen. Abgefüllt werden sie erst Ende Juli: „Unsere Weine sind Spätentwickler.“ Getrunken werden sollten sie frühestens zwei Jahre nach der Lese, meinen die beiden. Neben dem Gutswein „Riesling Wunschkind“ haben die beiden noch Ortsrieslinge aus Kobern (mineralisch), Winningen (würzig) und Lehmen (saftig-fruchtig) und einen Lagenriesling aus dem Lehmener Lay im Angebot.
Alle Weine bauen sie trocken aus: „Zucker ist für den Wein das, was Make-up für Menschen ist“, kommentiert Rebecca Materne.
Weine, die unter solch extremen Bedingungen hergestellt werden, müssen ein gewisses Niveau erreichen. „Wir machen nach wie vor keine Basisweine – und hoffen, dass wir auch in Zukunft nicht eines Besseren belehrt werden“, grinst Jessica Schmitt.
Angelaufen ist es bisher jedenfalls recht vielversprechend: Neben Fachhändlern und Restaurants in ganz Deutschland, berichten die beiden, haben sie auch Export-Kunden in Norwegen und den USA.