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Sarah Hulten – Im Hürdenlauf zum eigenen Weingut

Sarah Hulten – Im Hürdenlauf zum eigenen Weingut
Copyright Sarah Hulten

Die Abenteuer der selection-Jurorin und Ex-Mittelrhein-Weinkönigin Sarah Hulten auf dem Weg zur Winzerin.

Von Sarah Hulten

„Du willst jetzt wirklich Winzerin werden?“, fragte mich neulich eine Freundin. „Was ist mit deinem Marketing-Studium? Und dann arbeitest du auch noch normal?“. Dass alles möglich ist, konnte sie sich nicht vorstellen. Aber sind wir mal ganz ehrlich: Niemand hat gesagt, dass es einfach werden würde. Hinter mir liegen spannende Wochen und vor mir noch einige Hürden…</>

Es ist sehr interessant zu beobachten, wie mein Umfeld auf meine Idee reagiert, mit Hilfe eines Crowdfundings einen alten Weinberg zu rekultivieren und dafür sogar ein eigenes Weingut zu gründen. Das Spektrum der Reaktionen reicht von Verwunderung über Bewunderung bis hin zu Euphorie. Als Weinliebhaberin ohne Winzerfamilie spontan Mittelrhein-Weinkönigin und dann sogar nebenbei Winzerin zu werden, ist einfach keine gewöhnliche Geschichte.

Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück. Im vergangenen Artikel gab ich einen Rückblick auf das Jahr als Weinkönigin. Es hatte mir gezeigt, dass nicht immer alles so kommt, wie man es sich vorstellt oder gar plant. Manchmal kommt es noch viel besser! Ich habe daraufhin versprochen, dass mein Plan nicht nur im Zeichen der Krone gewesen sei, sondern auch nach deren Übergabe weiterverfolgt werden würde. Seitdem ist wieder einiges passiert.

Emotion pur

Nach meinem letzten Artikel begann für mich eine bewegende Zeit, die gleichzeitig einen neuen Lebensabschnitt einläutete. Es war die Zeit, in der meine Nachfolgerin gekrönt wurde und in der ich noch vorher sowohl einen Job im Öffentlichen Dienst, als auch einen bei einem jungen Startup in der Weinbranche annahm. Das Studium werde ich nebenbei beenden.

Doch das Spannendste war weniger der Berufseinstieg, als das Warten auf die Lese meines ersten eigenen Weines. Wie jeder weiß, war das Winzerjahr 2016 kein Kinderspiel. Es waren zwar nicht die biblischen sieben Plagen, doch viele Winzer bangten lange Zeit um den Jahrgang. So auch am Mittelrhein, aber der goldene Herbst rettete noch einmal die Lese.

In Leutesdorf hatten wir sehr viel Arbeit, aber auch eine Portion Glück. Hagel und Platzregen im frühen Sommer trafen unsere Trauben nicht, den Kampf gegen Peronospora entschieden wir für uns und auch der Hitze im September hielten wir Stand. Meine Rieslingtrauben von den alten Reben hatten eine stabile Beerenhaut gebildet und ich konnte geduldig den optimalen Lesezeitpunkt abwarten.

Es machte mir großen Spaß, fast täglich eine kleine Runde durch die Weinberge zu spazieren. Irgendwann fragte ich mich mit einem Augenzwinkern, ob es nicht Sinn machen würde, einen Zaun gegen Wildverbiss um meine drei Reihen zu ziehen. Allerdings nicht wegen der Tiere. Mir ging es eher darum, meine goldgelben, aromatisch-süßen „Träubchen“ vor mir selbst zu schützen – sie waren einfach zu lecker.

Ein paar Tage Regen gegen Ende Oktober ließen mich noch einmal kurz zittern, doch am 26. Oktober war es soweit. Sehr gesund, mit tollen 92 Grad Oechsle und einer moderaten Säure brachte ich mein Lesegut „nach Hause“. Ein tolles Gefühl! Auch die Gärung klappte problemlos. Ich hatte entschieden, meinen ersten Wein spontan (also ohne Reinzuchthefe) zu vergären. Ich kenne den tollen Wein, der sonst immer aus diesen Reihen entstand. Seine dezente Restsüße schmeichelt dem duftigen Riesling, der auf Schieferverwitterungsgestein mit vulkanischen Ablagerungen wächst. Ich wollte allerdings gerne testen, wie er wird, wenn er noch eine kleine Spur trockener ausgebaut ist.

Gesagt, getan. Mein Vermieter, der Winzer Horst Peter Selt ließ mir freie Hand, erklärte mir alle Schritte und beantwortete geduldig jede Frage. Den Rest des Herbstes und Winters half ich weiterhin bei allen Arbeiten im Weingut mit und übernahm im Januar dann auch die Administration der neu gestalteten Webseite. Es ist schön, dass meine Medienkompetenz aus dem Studium hier anwendbar ist und ich mich im Gegenzug für all die guten Lehrstunden nützlich erweisen kann.

Meine Freundin fragte, ob ich Arbeit, Uni und Wein miteinander verbinden könne. Ja, das geht. An einigen Tagen sitze ich in Mainz im Büro, an anderen erledige ich Homeoffice oder fahre für den Wein-Job durch die deutschen Anbaugebiete, bin kreativ und erweitere auch hier mein Wissen. An den Tagen oder Vormittagen, die übrig bleiben findet man mich dann wahlweise im Weinberg oder im Weinkeller. Sei es beim Abstich, dem Rebschnitt oder beim Kreieren der diesjährigen Cuvées. Die Mithilfe zuhause im Weingut ist ein toller Ausgleich und ich merke, dass ich immer mehr hineinwachse und mich damit identifiziere. Aber Moment, da war ja noch etwas… Der eigentliche Teil meines Weinbergsprojektes!

Zitterpartie

Mein Ziel ist es, eine alte brachliegende Rebfläche zu rekultivieren und somit meinen eigenen Anteil zum Erhalt der wertvollen und traditionsreichen Kulturlandschaft in den Steillagen am Mittelrhein beizutragen. Da hierfür ein Crowdfunding geplant ist, dient mein erster eigener Wein quasi als Grundstock, beziehungsweise als Gegenwert dafür.

Es klingt nun vermeintlich einfach, sich eine alte Fläche auszusuchen, die niemand mehr haben möchte. Die Wahl fiel mir ausgesprochen leicht, denn ich verliebte mich schon im Herbst in ein schönes Terrassenstück direkt am Rheinsteig-Wanderweg. Ich stelle es mir sehr schön für die Wanderer vor, wenn dieses Stück mit nahezu südlicher Ausrichtung von seinen Dornenbüschen befreit und wieder bepflanzt wird. Nicht ganz so einfach war es hingegen, ausfindig zu machen, wem die zugehörigen Kataster gehören und die Besitzer zu erreichen.

Viele Brachen am Mittelrhein sind schon lange nicht mehr bewirtschaftet und gehören oft Erbengemeinschaften, die entweder nicht ganz auffindbar sind, oder sich nicht einig werden, wenn es um einen Verkauf geht. Manche verstehen kaum, dass Flächen mit instabilen Trockenmauern und dichtem Buschwerk leider nicht mehr viel wert sind. Mehr noch: es kostet sehr viel Zeit und Geld, diese wieder aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken.

Ein Teil „meiner“ Fläche konnte nicht mehr zugeordnet werden. Glücklicherweise habe ich mit Hilfe von Peter Selt die Eigentümer des wichtigeren Teils der Fläche erreicht. In einem guten Kontakt habe ich mich mit den Erben in mehreren Telefonaten über Monate hinweg auf einen Kauf einigen können. Die Brüder freuten sich über mein Interesse und schätzten die Situation gut ein. In Kürze steht ein Notartermin an. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte mich an diesem späten Januarabend.

Doch leider hielt dieses nicht lange an. Ich wusste, dass ich erst ein Weingut gründen und die Rechte zur Neupflanzung beantragen muss. Es ist jedoch noch nicht geklärt, ob die Kreisverwaltung dem Kauf zustimmt und ob die alteingesessenen Leutesdorfer Winzer ein Vorkaufsrecht für diese Fläche haben. Ich bin mir sicher, dass keiner der lieben Kollegen das Stück haben möchte, doch die zwei Monate, die es ausgeschrieben sein müsste, könnten bedeuten, dass ich dieses Jahr die Frist für die Beantragung der Neuanpflanzungsrechte verpasse.

Daumen drücken

Da ich aber noch lange nicht aufgeben möchte, plane ich nebenher schon einmal weiter. Ich habe mir für das Vorstellungsvideo auf der Crowdfunding-Plattform Startnext ein studentisches Filmteam ausgesucht, das mich bei meinem Vorhaben unterstützen wird. Ebenso laufen bereits Gespräche über das Design meines ersten Etiketts.

Meinen Wein habe ich übrigens bei Jungweinproben mit Winzerkollegen und von ausgewählten Jurymitgliedern des selection-Teams blind verkosten lassen. Es erfüllt mich mit Stolz, dass er super ankam. Im April wird er gefüllt. Darüber hinaus habe ich mich für ein Seminar über den Bau und die Restauration von Trockenmauern im März angemeldet. Auch wenn es dieses Jahr vielleicht nicht mehr mit dem Pflanzen klappen könnte, so bin ich bei dem Rest des Projekts doch sehr zuversichtlich. Jetzt heißt es: „Daumen drücken!”. Ich werde weiterhin im Hürdenlauf zum eigenen Weingut alles geben und gerne darüber berichten…

P.S.: Wenn alles klappt, startet noch im Frühjahr das Crowdfunding. Die Domain www.sarah-hulten-weine.de ist schon gesichert, an der Seite wird fleißig gebastelt. Ich werde dort den Start ankündigen, wenn es soweit ist!

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