Schaumweine sind in Mode gekommen, Prosecco und Champagner gehören bei Festlichkeiten zum guten Ton. Wer allerdings aus der Reihe tanzen will, gibt sich nicht mit dem Üblichen ab, sondern bestellt Getränke mit französisch klingendem Namen und merkwürdigem Aussehen.
Natürlich ist Thorsten Melsheimer wieder mit dabei. Der Moselwinzer, einer der innovativsten Erzeuger der auf steile Weinberge spezialisierten Region, hat schon vieles ausprobiert. Jahrelang vergorener Riesling stammt aus seiner Manufaktur, eine Art von Mosel-Portwein gehört zu seinen Experimenten, und natürlich hat der auf biodynamische Bewirtschaftung eingeschworene Winzer auch schon mal Natural Wine abgefüllt. Die praktisch unbehandelte, ohne Schwefelzugabe abgefüllte Spezialität gilt unter Kennern als ultimativ cooles Getränk.
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Geschichte bis zum Jahr 1531
Beim Pét Nat, dem Pétillant Naturel, geht es nochmals deutlich natürlicher zu – sofern das überhaupt möglich ist. So natürlich, dass klassische geschulte Winzer mit dem Kopf zu schütteln pflegen. Sollen sie etwa alles anders machen, als sie es auf den Schulen und Universitäten gelernt haben? Moderne Hilfsmittel und Stahltanks weglassen? Gar auf Hefe und Schwefel verzichten? Die Fragen sind unberechtigt, ist Pét Nat doch eine uralte Methode der Weinerzeugung.
Die ersten Champagner entstanden auf vergleichbare Weise, rein zufällig. Doch sogar lange vorher, im 16. Jahrhundert, kamen bereits anderswo in der Grande Nation schäumende Produkte in Mode. Vor allem die Blanquette de Limoux wurde kohlensäurehaltiger Finesse wegen schon früh populär. 1531, so sagt ein erhaltenes Dokument, achteten dortige WInzer bereits darauf, dass die automatisch durch Gärung entstehenden Bläschen in der Flasche verblieben. Gar nicht so einfach!
Einfach warten, was die Natur macht
Ohne die elastische Rinde der Korkeiche gäbe es also nämlich weder Pét Nat noch Champagner, denn dann wäre der entstehende Schaum schnell von hinnen. Im Unterschied zur weiter verbreiteten Schaumweinbereitung, wie sie bei Sekt, Cava, Champagner und Spumante zur Anwendung kommt, ist allerdings ist beim Pét Nat keine zweite Gärung vonnöten.
Der fertige Wein wird nicht mit Hefe und Zucker in die Flasche gegeben, auf dass er erneut fermentiere und dann Champagner oder Crémant heisse, sondern während der ersten Gärung vom Tank oder Fass in die Flasche transferiert. Der Winzer muss nur den richtigen Zeitpunkt erwischen, denn ist der halbvergorene Most noch zu süss (über etwa 25 Gramm Zucker pro Liter), entsteht später zu viel Druck, platzt die Flasche.
Ist er hingegen bereits zu weit vergoren, wird nur wenig Kohlensäure produziert, der Pét Nat prickelt lediglich wie ein Perlwein. Ein Abenteuerspiel, das auch in ein und derselben Charge zu deutlich unterschiedlichen Ergebnissen führen kann – manchmal schmeckt jede Flasche anders. Neu ist das ganze Prozedere also nicht, doch als Pét Nat firmieren die Kreationen erst seit ein paar Jahren.
Méthode Ancestrale oder Méthode Rurale schrieben die französischen Winzer früher auf die Etiketten, doch erst der Pét Nat traf den Zeitgeist, wurde auch ausserhalb Frankreichs populär. In den letzten fünf Jahren schwappte die Mode in die Bundesrepublik und nach Österreich; lediglich die Schweiz tut sich noch schwer.
Nicht ganz klar und schwefelfrei
Gemeinsam ist den Pétillants Naturels, dass sie ohne Schwefelzusatz abgefüllt werden, also lediglich jene winzige Menge an Sulfit besitzen, die auf natürliche Weise entsteht. Fast alle Pét Nats sind ausserdem mehr oder weniger trüb, denn die abgestorbene Hefe verbleibt in den meisten Fällen in der Flasche.
Dass sich diese auch im Geschmack bemerkbar macht, ist logisch und führt dazu, dass die einen mit dieser Weinkategorie nichts anfangen können und andere sie über alles lieben. Ach ja, trocken sind sie auch alle, die auf natürliche Weise schäumenden Weine der anderen Art.
Thorsten Melsheimer jedenfalls ist zufrieden mit seinem Versuch, der aus Riesling und einem kleinen Anteil der pilzwiderstandsfähigen Sorte Johanniter vinifiziert wurde. Animierend wirkt sein Pét Nat von der Mosel, saftig und dezent hefig. Aber eines ist für Melsheimer klar. Nur mit dieser Art von Wein will sich der Winzer nicht begnügen, das Gros seiner schäumenden Weine wird auch zukünftig mittels zweiter Gärung hergestellt. Winzer Melsheimer mag innovativ und neugierig sein, aber eines ist er nicht: dogmatisch.
Riesling-Pét-Nat von der Mosel:
Weingut Melsheimer, www.melsheimer-riesling.de
Rurale aus dem Rheingau:
Rheingauer Sektkellerei Ohlig, www.ohlig-sekt.de
Pét Nat aus Rheinhessen:
Weingut Gysler, www.alexander-gysler.de
Rosé aus der Pfalz:
Weingut Brand, www.weingut-brand.de
Pét Nat aus Müller-Thurgau:
Simone und Stephan Krämer, www.kraemer-oeko-logisch.de
Pét Nat aus Weissburgunder und Scheurebe:
Weingut Riffel, www.weingut-riffel.de
Pitt Nat aus Österreich:
Weingut Pittnauer, www.weingut-pittnauer.at
Mehr Information zum Thema Torsten Melsheimer und Mosel: Wolfgang Fassbender/Andreas Durst, Die Neue Mosel, Mondo-Verlag, 2017. 34.95 Euro.