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Rebsorte Grauburgunder – Ruländer revisited

Rebsorte Grauburgunder – Ruländer revisited
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Dass es sich beim Ruländer um den Grauen Burgunder handelt, verdrängten die deutschen Weintrinker viele Jahre. Lange war die Weissweinsorte mit der vergleichsweise dunklen Beerenhaut nur unter einem alten Begriff und für süssliche Schmeichelweine bekannt. Erst die Weinmode der Achtziger und Neunziger sorgte für Stil- und Namenswechsel. Im Elsass dagegen ist der üppige Charakter noch vielfach präsent, nur der Begriff Tokay musste zum Leidwesen der Winzer verschwinden.

Von ehrwürdigen Traditionen Abschied zu nehmen, fällt schwer. Also litten viele deutsche Winzer lange unter dem Makel, der plötzlich auf einem Teil ihrer Weine lag. Die meist lieblich ausgebauten Ruländer der Sechziger und Siebziger gerieten Mitte und Ende der Achtziger in den Wellenschlag der Weinskandale und den Sog geschmacklichen Wandels. Süsses galt plötzlich als altmodisch, der Name Ruländer als gar zu bieder.

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Spätestens in den frühen Neunzigern liessen die meisten hiesigen Erzeuger den ehrwürdigen Begriff sausen, wollten den Markt der knackig-frischen Weissweine nicht den Italienern überlassen. Die machten nämlich in jener Zeit mit Pinot Grigio mobil, platzierten erfolgreich einen ganz anderen Ruländer-Stil, schnappten sich Marktanteile.

Liebliche Historie

Grauburgunder - eine ungewöhnlich dunkle Weissweinsorte
Weissweinsorte mit dunkler Beerenhaut

Von einem Kaufmann namens Johann Seger Ruland dürften die italienischen Winzer freilich kaum je gehört haben. Wie sollten sie auch, lebte der Mann doch vor langer Zeit in Speyer, fand einst in einem gekauften Stück Garten zwei unbekannte Reben, kelterte deren Ertrag und sprang im Kreise. Als „süss und lieblich“ ging der 1711er aus dem Hause Ruland in die Annalen ein.

Flugs vermehrte der Mann die Neuentdeckung und setzte einen Trend. Vor allem in guten Weinjahren und mit ein paar edelfaulen Beeren ergab der Ruländer alias Grauburgunder zuverlässig schmackhafte, süffige, oft nicht ganz trockene Weine, die sich deutlich verschieden von seinen Verwandten Weiss- und Spätburgunder präsentierten.

Dass der Ruländer eigentlich nichts weiter als eine Mutation des Spätburgunders mit rötlich-grauer, für eine Weissweinsorte auffällig dunkler Beerenhaut ist, entzog sich Rulands Wissen. Ebenso wie der Ort, von dem aus sie in seinen Speyerer Garten gebracht worden war: aus Burgund, der Champagne, Österreich?

Tokay aus Tokaj?

Vielleicht hatte sich auch jemand im Elsass ein paar Zweige abgeschnitten. Dort wurde Grauburgunder als Tokay d’Alsace oder Tokajer berühmt, man vermutete einen Ursprung in Ungarn. Ein elsässischer Feldherr soll sie dort aufgesammelt und auf seinem Heimweg als Beute aus der Ferne präsentiert haben.

Dass die Elsässer Winzer mit dieser Theorie daneben lagen, vermuteten Forscher allerdings schon bald, und spätestens nach DNA-Analysen des 20. Jahrhunderts war die Sache klar: Grauburgunder halt. Vom liebgewonnenen Namen wollten die Winzer zwischen Colmar und Strasbourg aber trotzdem nicht lassen, wurden erst durch die vor Gericht klagenden Ungarn dazu gezwungen. Die mochten sich den heimischen Tokayer nicht nehmen lassen, schon gar nicht aufgrund unbewiesener und unbeweisbarer Weinmärchen mit Feldherren in der Hauptrolle.

Zähneknirschend mussten sich die Kollegen aus dem Elsass also an den Begriff Pinot Gris gewöhnen, durften das Wort Tokay noch eine Weile als Zusatz nutzen, bevor auch diese Möglichkeit entfiel.

Neuer Stil, neue Kombinationen

Graue Burgunder auf alte Art existieren immer noch im Elsass. Mächtige, duftige Weine, oft von Edelfäule geprägt, welche frappant zu Gänseleber passen, aber auch zu Wildgerichten mit fruchtigen Beilagen eingesetzt werden können. Die eher trockenen, frischen und würzigen Grauburgunder neuerer Machart sind dagegen Allzweckwaffen der Sommeliers, passen je nach Ausbau zu kräftigen Fischgerichten, zu Gemüseterrinen oder Geflügel, zu Hummer auch.

Trauben für solche Weine werden vergleichsweise früh geerntet, auf Edelfäule verzichten die Winzer meist, der Ausbau erfolgt oft im Stahl, gern auch mal in grossen oder kleinen Fässern. Mittlerweile zählen die besten Grauburgunder vom Kaiserstuhl, aus Pfälzer oder rheinhessischen Weinbergen zu den besten Weissweinen Deutschlands, und kaum jemand denkt beim Erwerb einer Flasche noch an den Kaufmann Ruland.

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Nur eine Handvoll deutscher Winzer pflegt unverdrossen die Tradition, füllt weiterhin nicht ganz durchgegorene Spät- und Auslesen unter dem Namen Ruländer ab. Sie schmecken auch heute noch so, wie sie ihr Entdecker vor drei Jahrhunderten beschrieb: süss und lieblich.

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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