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Das wahre Bordeaux abseits der berühmten Orte

Das wahre Bordeaux abseits der berühmten Orte
Copyright iStockphoto Sablin

Das Bordelais halten viele für ein önologisches Paradies, andere für ein überteuertes Schnösel-Anbaugebiet. Doch die Wahrheit ist vielfältiger. Abseits der berühmten Orte und Lagen finden sich unzählige engagierte Winzer, deren Weine über ein atemberaubendes Preis-Leistungs-Verhältnis verfügen.

Sogar Experimente kann man bisweilen verkosten, wenn man nach Produkten der Basis-Appellationen Bordeaux und Bordeaux Supérieur Ausschau hält.

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Ob man so ein Schloss wirklich sein eigen nennen möchte? Château des Arras ist eines von vielen aus Stein bestehenden Prachtstücken im Bordelais, aber auch eines, das eine Menge Last verschafft. Alte Mauern und Decken wollen gepflegt werden, und moderne Technik in historische Gebäude zu integrieren, ist eine Herausforderung. Und dann wäre ja da noch Arbeit in den Weinbergen, die im Falle des im 15. Jahrhundert als Festung erbauten und später umgestalteten Château unmittelbar vor dem Schlosseingang beginnen.

Claudine Rozier, die das Weingut zusammen mit ihren Töchtern Anne-Cécile und Marie-Caroline führt, kann nicht auf berühmte Klassifikationen zurückgreifen, ist weit entfernt von weltweitem Ruhm und nie mit dabei, wenn sich die legendären Cru-Inhaber treffen. Einen Namen machen können sich die Roziers ausschliesslich über die Qualität ihrer Weine und geschicktes Marketing.

Bordeaux von der Basis

Solche Herausforderungen teilen die Arras-Inhaber mit unzähligen anderen Gütern in den Appellationen Bordeaux und Bordeaux Supérieur. Wahre Schnäppchen kann man hier machen, verkostet man nur hartnäckig und konsultiert die Weinführer. Leichte, frische Weissweine, die auf Sauvignon Blanc basieren, oder Crémants, die immer grösseres Ansehen geniessen. Hauptsache aber bleiben die kraftvolle Roten mit mehr oder minder gelungenem Holzeinsatz. Auf Château des Arras ist dieser nicht übertrieben, man setzt nicht auf Konzentration um jeden Preis.

Aus dem etwas chaotisch wirkenden Keller, in dem gerade noch die letzten Trauben des Jahrgangs 2015 verarbeitet wurden, kommen eher feingliedrige Weine. So wie die nur in Spitzenjahren erzeugte Cuvée „Elles“, deren Name Bezug nimmt auf die drei weiblichen Verantwortlichen.

Sie wurde letztmals aus 2010 in gerade mal 2200 Flaschen präsentiert und für wenig Geld an Connaisseure abgegeben. Ein ähnliches Preis-Leistungs-Verhältnis besitzt der Château Sainte-Barbe.

Reben umrahmen das Schloss an der Garonne, die Weine werden allenfalls ein Jahr im Barrique ausgebaut, sind voller Frucht. Zu haben sind nicht nur 2012 und 2011, auch 2008 oder 2006 kann man noch kaufen, muss für eine Zwölferkiste kaum mehr als 100 Euro anlegen; den süffigen Zweitwein, einen puren Merlot, erhält man nochmals günstiger.

Unternehmer und Kreative

Jean-Michel Chatelier Schlossherr auf Château d’Arveyres
Jean-Michel Chatelier Schlossherr auf Château d’Arveyres

Nicht alle Weingüter der Appellationen Bordeaux und Bordeaux Supérieur werden allerdings auf eher handwerklich-bodenständige Weise betrieben. Manche sind von engagierten Unternehmern instandgesetzt worden, vervollständigen manchmal sogar ein aus mehreren Schlössern bestehendes Portfolio.

Jean-Michel Chatelier, engagierter Schlossherr und weltgewandter Charmeur, ist so ein Multi-Aktiver, der zur Verkostung sogar einen Fotografen eingeladen hat; eine Dokumentation über den Patron soll den letzten Schliff bekommen.

Die auf Château d’Arveyres entstehenden Weine ähneln dem Chef, sind eher modern als traditionell, werden nicht in alten Schlossgewölben, sondern in einer schicken Kellerei unterhalb des alten Gebäudes vinifiziert. Kein Zweifel: Man könnte sich Monsieur Chatelier auch als Inhaber eines hoch klassifizierten Margaux-Weingutes vorstellen.

Olivier Cazenave wiederum passt in keine Kategorie. Der Inhaber von Château de Bel, unmittelbar am Ufer der Dordogne, probiert gern Dinge aus, will sich nie festnageln lassen und hat stets die Eigenschaft der Weine als Essensbegleiter im Visier.

Elegant sollen sie sein, frisch, Spass machend. So wie sein reinsortiger Muscadelle, der noch dazu in eine kurios bauchige Flasche gefüllt wird.

Im Schatten von Sémillon und Sauvignon Blanc spielt die dritte Weissweinsorte des Bordelais nur eine Randexistenz, wird anderswo lediglich aus Traditionsgründen in einstelligen Prozentzahlen beigemischt. Nicht hier. Cazenaves Muscadelle ist ein intensiver Weisswein voller Schmelz und Frische, besitzt eigenständigen Charakter. Den zeigt auch der Cabernet franc, eine Cuvée aus drei verschiedenen Jahrgängen, perfekte Balance vermittelnd. Weil so was Kurioses nicht vorgesehen ist in den Bordeaux-Appellationsbestimmungen, muss der Wein als Vin de France, in der untersten französischen Weinkategorie, auf den Markt kommen.

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Den Winzer, der auch Trauben aus dem Pomerol oder aus Saint-Émilion keltert, stört das nicht, schliesslich weiss er genau, dass es sich um einen der besten Tafelweine Frankreichs handelt, um einen mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sowieso.

Empfehlenswerte Weingüter der Appellationen Bordeaux und Bordeaux Supérieur

Château des Arras

Château Sainte-Barbe

Domaine du Claouset

Château de Piote

Château d’Arveyres

Château de Bel

Über den Autor

Wolfgang Faßbender ist seit 25 Jahren als freier Journalist in den Bereichen Wein und Gastronomie tätig. Der gebürtige Leverkusener hat mehr als 80 Bücher geschrieben oder herausgegeben, arbeitet für viele Zeitschriften und mehrere Zeitungen, testet sich als Restaurantkritiker durch die Welt.

Er pendelt zwischen seinen Wohnsitzen im Rheinland und Zürich.

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