Nicht nur Wissenschaftler bereitet das Thema Klimawandel Kopfzerbrechen. Auch viele Winzer stricken bereits an Konzepten, wie man mit der zu erwartenden Wetterveränderung umgehen kann. Oder ist das alles nur Unsinn, wie manchmal zu lesen und zu hören ist?
„Irgendwann werde die Reise wohl nach Norden gehen“
Noch herrscht weitgehend Ruhe in den Weinbergen der Welt. Die Ruhe vor dem Sturm? Denn Alarmglocken sind bereits zu vernehmen. So befürchten kalifornische Winzer laut einer Studie, dass in der Kultregion Napa Valley auf Grund zunehmender Erwärmung in rund 30 Jahren eine Produktion von Premiumweinen nicht mehr möglich sei.
Ähnliches befürchtet man in Regionen, in denen heute schon das Optimum der Temperatur in der Wachstumszeit erreicht ist, etwa in den südlicheren Gebieten Spaniens. In Australien soll es dagegen bereits vereinzelte Gebiete geben, wo Weinanbau wegen zu hoher Temperaturen in Verbindung mit Wassermangel zum unkalkulierbaren Risiko werden könnte.
Bei einer langfristigen Erwärmung ist auch ein Trend zu einer Erhöhung der Alkoholgehalte möglich. „Dieser würde aber zumindest teilweise durch einen früheren Lesezeitpunkt oder gar einen geänderten Sortenspiegel kompensiert werden“, meint etwa Georg Jakubetz, zuständig für den Einkauf bei Peter Riegel Weinimport. „Auch eine Verschiebung der Lagen-Hierarchie innerhalb einer Region kann eintreten.“ Neue No-Name-Lagen statt Spitzenlagen oder alles nur halb so wild?
Die Suche nach Strategien
Jedenfalls waren etwa in Italien in den letzten vier Jahren die Sommer tatsächlich heißer als früher. Daher testen vor allem größere Weingüter, wie sie in Zukunft damit umgehen könnten, falls die Temperaturen weiter steigen. Eine Alternative wäre etwa die Ausrichtung in andere Himmelsrichtungen, wie man es etwa im heißen Norden Portugals bereits stellenweise praktiziert.
Starwinzer Dirk van der Niepoort etwa hat sich bereits einige Weinberge gesichert, die nicht nach Süden, sondern nach Norden ausgerichtet sind und entsprechend weniger Sonne abbekommen. Eine andere Möglichkeit ist die Anpflanzung in höheren Lagen.
„Wir können in vielen Gebieten in die Höhe gehen. Pro 100 Meter Höhe verringern sich die Temperaturen um 0,5 bis 0,6 Grad Celsius“, berichtet etwa Gerhard Roth vom gleichnamigen Bio-Weingut in Franken. „Das wäre auch insofern wichtig, da sonst der Alkoholgehalt zu hoch wird und Weine mit mehr als 14 Volumenprozent leicht brandig schmecken können.“
Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit. Roth geht mit der Traubenzone um etwa 20 Zentimeter weiter vom Boden weg. „Dadurch ist es etwas kühler und wir können acht bis zehn Tage später ernten.“
Wer wissen will, wie sich die Klimaveränderung auf den mitteleuropäischen Weinanbau auswirkt, sollte einmal ins fränkische Würzburg fahren. Auf den ersten Blick sehen die Weinberge aus wie immer. Doch der Klimawandel vollzieht sich im Allgemeinen nicht so spektakulär offensichtlich. Auswirkungen sind etwa Spätfröste, extreme Hitze und Starkregen mit Hagel. So sorgten vom 4. auf den 5. Mai 2011 Temperaturen von bis zu -5° Celsius in manchen Lagen sogar für Totalausfälle. Da die meisten Rebsorten in Mitteleuropa durch den Klimawandel derzeit etwa zwei Wochen früher als sonst austreiben, sind sie durch Spätfröste ab Mitte April besonders gefährdet.
Um diese Auswirkungen in den Griff zu bekommen, werden allerlei Experimente durchgeführt, vom Hubschraubereinsatz, der für eine Luftverwirbelung sorgen soll, über Windmaschinen, Feinversprühung von Wasser zum Frostschutz und Parafinöfen bis hin zum Einsatz von Pflanzenölen, die für eine Austriebsverzögerung sorgen könnten.
hat noch einen anderen Vorschlag. „Irgendwann werde die Reise wohl nach Norden gehen“, meint er. „Wir haben jedenfalls 2008 einen Weinberg in Kristiansand an der Südspitze Norwegens gepflanzt, mit Riesling und Pinot.“
Gewinner des Klimawandels
Doch wo es Verlierer gibt, gibt es in der Regel auch Gewinner. Gerade die mitteleuropäischen Winzer profitieren derzeit unterm Strich sogar vom Klimawandel. „Beispielsweise sind aus unreifen Riesligen Trauben großartige trockene Weine geworden“, merkt Gerhard Roth an. „Diese Qualitäten, wie wir sie heute haben, wäre ohne klimatische Unterstützung nicht möglich gewesen. Das wird auch noch die nächsten zwei, drei Jahrzehnte so sein. Aber irgendwann werde sich der Weinbau wohl weiter nach Norden verlagern.
Einige mitteleuropäische Winzer – wie Klaus-Peter Keller vom rheinhessischen Spitzen-Weingut Keller – haben schon vor Jahren etwa an der Südspitze Norwegens Weinberge mit Riesling und Pinotsorten bestockt und in Großbritannien zahlt man auf dem Land bereits hohe Summen für Grundstücke, auf denen möglicherweise einmal Reben stehen könnten. Wenn der Wetterwandel weiter anhält.