Arbeiten auf einem Weinberg mit einer Hangneigung von über 30 Prozent ist Schwerstarbeit. Wozu dann und was haben die Konsumenten davon?
Wenn der Wein den Sie vor sich im Glas haben ein bisschen salzig schmeckt, ist das nicht auf Schweisstropfen eines Winzers zurückzuführen, die bei der Arbeit auf seinem steilen Weinberg auf die Trauben fielen. Ein leichter salziger Geschmack kommt in der Regel von Weinbergen mit einem hohen Salzgehalt im Boden, was manche Kritiker dann mit salziger Mineralität beschreiben. Aber das ist eher seltener anzutreffen.
Etwas häufiger wird man dagegen auf einer Fahrt durch manche Weinregionen Winzer bemerken, die auf ihren Hanglagen akrobatische Arbeiten verrichten. Die internationale Steillagenweinbauforschungsgruppe Cervim schätzt die Steillagenfläche innerhalb der EU auf acht bis zehn Prozent der Gesamtfläche. In Deutschland liegt der Anteil von Hanglagen mit mindestens 30 Prozent bei 8,8 Prozent oder etwas mehr als 8.900 Hektar.
Vor allem die Anbaugebiete Mosel und Rheingau sowie die kleineren Gebiete Ahr, Hessische Bergstrasse, Mittelrhein, Saale Unstrut und Sachsen weisen einen überdurchschnittlichen Anteil dieser Lagen auf.
Steile Lagen, grosse Weine
Die meist nur manuell durchführbare Arbeit in solchen Weinbergen mag nicht jeder. Doch es gibt gerade auch unter Spitzenwinzern glühende Verfechter der schweisstreibenden Tätigkeit. August Kesseler, Chef des gleichnamigen Rheingauer Weinguts etwa ist in Assmannshausen aufgewachsen und war sehr früh mit diesen Arbeiten vertraut.
„Da es links und rechts von mir nur steile Lagen gab und gibt, habe ich es so akzeptiert, auch wenn die hohen Kosten mir ab und an graue Haare wachsen lassen.“ Nun, dafür stimmen die Resultate, wie auch die Verkostungsbewertungen beweisen.
„Wir versuchen das Beste, nämlich bedingungslos auf Qualität zu setzen, um den Unterschied über das Terroir gegenüber den flacheren Lagen herauszuarbeiten“, versichert der Winzer. Das Resultat sind feinere, sehr nuancierte Weine in Duft und Geschmack, die meist mehr Ausdruck besitzen und ein höheres Alterungspotential aufweisen.
Besonderheiten an der Mosel
Zur Zeit befasst man sich an der Mosel mit dem Thema „Lebendige Moselweinberge“, um die von Steillagen geprägte Region auch als Natur- und Kulturerbe zu erhalten. „Diese Lagen sind nicht nur Produktionsraum für Weine, sondern auch wichtige Ökosysteme mit enormer Artenvielfalt“, berichtet Hubert Friedrich, Leiter des Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Mosel.
Etwa auf dem Apolloweg, der in Valwig nahe Cochem beginnt. Die Strecke bietet nach jeder Windung tolle Aussichten auf das Moseltal und die gegenüberliegenden Weinberge mit ihren bemerkenswert steilen Hügeln.
Auch Reinhard Löwenstein vom Weingut Heymann-Löwenstein an der Mosel zählt zu den Anhängern der beruflich bedingten Turnübungen im Weinberg. „Ob sich der Aufwand lohnt? Wenn ich gegen Ende des Jahres unser Lohnkonto betrachte frage ich mich das auch manchmal. Aber wenn ich die Weine verkoste weiss ich warum.“
Bei ihm geht es nicht nur um Steillagen, sondern auch um terrassierte Weinberge mit 50 Prozent Steinen im Boden. „Das passt zu unserer Vision, den Geschmack der jeweiligen Schieferformation ins Glas zu begleiten“, meint Reinhard Löwenstein und fügt noch einen weiteren Grund hinzu.
„Manche Terrassenweinberge überwinden 140 Meter Höhe, es ist ein Bergsteigen, ein unter, im oder über dem Nebel arbeiten, immer wieder eine andere Aussicht geniessen. Es ist reine Handarbeit, im Team und trotzdem jeder nach seinem eigenen Rhythmus. Es gibt keinen schöneren Arbeitsplatz.“