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Vielschichtige Eleganz – Alte Reben braucht das Land

Vielschichtige Eleganz – Alte Reben braucht das Land
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Django kennt keine Gnade, wissen alle, die Quentin Tarantinos Film oder das Original von Sergio Corbucci gesehen haben. Auch in der Weinwelt gibt es Djangos. Ziemlich viele sogar. Allerdings auf eine etwas andere Art. Erbarmungslos vernichten sie alle Reben, die älter als 25 oder 30 Jahre sind. Daher nun ein Plädoyer für das Alter.

Alte Reben im Weinberg? Schnell raus damit. So lautet das Motto sehr vieler Winzer in aller Welt. Nein, mit Jugendwahn hat das nichts zu tun. Auch nicht mit dem Alter der Eigentümer. Alte Reben durch neue zu ersetzen hat rein wirtschaftliche Gründe. Daher empfehlen die Weinbauschulen, die Pflanzen alle 25 bis 30 Jahre zu erneuern. Denn je älter die Pflanzen werden, desto weniger Ertrag liefern sie.

Davon kann beispielsweise Alexander Stodden ein Lied singen. Der Jungwinzer des Spitzenweinguts von der Ahr besitzt im Recher Herrenberg einen Hektar Spätburgunderanlagen, die teils vor 1940, teils Anfang der 1950er Jahre gepflanzt wurden. Die Erträge liegen meistens unter 25 Hektoliter und damit um mindestens die Hälfte niedriger als in seinen anderen Toplagen. Zwar kostet der Spätburgunder Alte Reben etwas mehr, aber unterm Strich bringt er weniger ein.

Die vielschichtige Eleganz des Alters

Doch auf den Gedanken, nur um des Ertrags willen die Reben zu ersetzen, käme er nicht. „Hier wachsen jedes Jahr unsere subtilsten und feingliedrigsten Spätburgunder, denn die Weine von alten Reben sind immer etwas vielschichtiger, facettenreicher und eleganter als die von jüngeren Anlagen“, schwärmt Alexander Stodden.

Nun, diese Begeisterung teilen auch andere qualitätsorientierte Winzer, die das Glück haben, Rebstöcke zu besitzen, die manchmal drei- oder viermal älter sind als sie selbst. Der 23-jährige Pfälzer Dennis Reuther etwa erntet aus 82 Jahre alten Anlagen Mini-Erträge von Portugiesertrauben. Der ungewöhnlich kraftvolle, komplexe Wein aus der sonst als langweiliger Massenträger verrufenen Rebsorte ist stets Kundenliebling, obwohl er mehr kostet als alle Spätburgunder oder Rieslinge des Hauses.

Noch älter sind einige Parzellen beim Weingut Dr. Loosen im Anbaugebiet Mosel. In der Lage Erdener Prälat stehen sogar 120 Jahre alte wurzelechte Reben, aus denen Ernst F. Loosen enorm dichte Rieslingweine keltert. Ähnlich alte Anlagen findet man weltweit ausserhalb der Moselregion nur äusserst selten, etwa in Spanien, an der nordwestlichen Grenze zu Portugal oder in der Douro-Region in Portugal.

Das Geheimnis des Geschmacks

Was aber macht die „Alten“ so besonders oder ist das Ganze meist doch nur eine Art Traditions-Tick, den diese Winzer aufrechterhalten wollen? Nun, der Rheingauer Top-Erzeuger August Kesseler bringt es auf den Punkt. „Diese Weine sind schlichtweg in jeder Hinsicht intensiver, egal ob hinsichtlich der Mineralität, der Frucht oder der Komplexität.“

Kein Wunder, denn die Wurzeln von Jahrzehnte alten Reben können durchaus 20 Meter tief in den Boden ragen und haben, wie es Carolin Spanier-Gillot vom rheinhessischen Top-Betrieb Kühling-Gillot formuliert „dadurch grossen Zugang zu den Mineralien, die bei uns in den tieferen Schichten reichlich vorhanden sind“. Dadurch werden die Weine eben subtiler und terroirbetonter. Aber mitunter auch ein bisschen fordernder.

Doch wer sich aufs reifere Alter einlässt, wird sein Vergnügen damit haben. Besonders wenn man einmal vergleicht, wie Weine aus derselben Lage aber von unterschiedlich alten Rebstöcken schmecken. Noch spannender wird es, wenn man dabei zwei oder mehr Jahrgänge nebeneinander verkostet, da Weine aus alten Reben manchmal etwas mehr Zeit zum optimalen Genuss benötigen. Alternativ kann man diese Weine aber auch dekantieren. Am besten nimmt man dann dazu zwei Flaschen desselben Weines und öffnet eine erst kurz vor dem Einschenken.

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Doch aufgepasst: In Deutschland etwa darf auf den Etiketten auch dann schon „Alte Reben“ stehen, wenn die Anlagen gerade einmal 20, 25 Jahre alt sind, da der Begriff noch nicht geschützt ist. Da lohnt sich entweder ein Blick aufs Rückenetikett, alternativ ein Anruf beim Winzer. Oder ein Blick auf den Preis, „Alte Reben“ unter 5 Euro die Flasche sind in den allermeisten Fällen nicht so alt wie es etwa Stoddens Wein ist. Das ist zwar kein illegaler Etikettenschwindel, aber für Django wäre das Anlass genug, diese Flaschen in die ewigen Jagdgründe zu schicken.

Über den Autor

Wolfgang Hubert ist seit über 20 Jahren als Weinjournalist, Verkoster und Autor tätig und war bis 2008 außerdem Chefredakteur des Magazins „getränke markt“. Seit Ende 2014 ist er Chefredakteur des Genussmagazins "selection".

Dazu schreibt oder schrieb er regelmässig diverse Beiträge unter anderem für WeinWisser, Vinum, Wein Gourmet, essen & trinken, sowie für renommierte Tages- und Wochenzeitungen.

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