Alchemie – ein Wort, das das Magische mit dem logischen, chemischen Prozess vereint. Ein Wort, das für die Entdeckung des Unbekannten steht. Die Ägypter prägten es, um die Faszination des Neuen zu benennen. Alchemie – das Schwarze, das Fruchtbare, das die Menschen der damaligen Zeit ängstigte und faszinierte zugleich. Doch es war ein Alchemist, der 1285 in Perpignan die Entdeckung der „Mutage“ machte – und damit den Grundstein für das süsse Gold legte.
Südfrankreich hat sich in vielen Köpfen mit sonnenbegnadetem Wetter, Meer, malerischen Orten, Wein, frischem Fisch, Käse und Baguette festgesetzt. All diese Bilder, die die Fantasie oder die Erinnerung an einen Urlaub in dieser Region malen, sind real. Doch es gibt ein kleines Fleckchen Erde, ganz versteckt im Süden Frankreichs, das für eine aussergewöhnliche Art des Weines steht. Es ist nicht mehr wirklich das Languedoc und noch nicht Spanien:
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Das Roussillon am Fusse der Pyrenäen erstreckt sich im Stil eines Amphitheaters zwischen drei imposanten Bergketten und der weiten Öffnung zum Mittelmeer. Die ersten Weinberge ziehen hier ihre Wurzeln bis zurück ins siebte Jahrhundert. Eine Region, die also auf eine lange Geschichte zurückblicken und sich selbstbewusst präsentieren kann.
Sie hat eine weltweit einzigartige Kultur entwickelt: Die Süssen des Roussillon – die Vins Doux Naturels – finden keinen Vergleich mit dem deutschen oder österreichischen Eisweinen, dem italienischen Vin Santo oder dem Rosenmuskateller. Sie haben einen ganz eigenen Charakter.
Eine Entdeckung, die alles veränderte
Rund 2.600 Stunden im Jahr brennt die Sonne auf die Reben herab und die starken Winde aus dem Nordwesten, dem Südosten und aus Spanien kühlen die Trauben, treiben noch mehr Süsse in die Beeren und schützen sie vor Krankheitserregern.
Die Böden des Roussillons sind vielfältig: Schiefer, Marmor, Quarz, Kalk, steinige Tonböden, Sand und Gneis geben ihre Würze in den Wein und lassen starke Rebsorten wie zum Beispiel Grenache Noir und Blanc, Syrah, Mourvèdre, Carignan und Macabeu kraftvoll gedeihen.
All dies prädestiniert die Region für den Weinanbau. Doch warum seine Stärke, neben den international repräsentativen, trockenen Rot- und auch Weissweinen, in den natürlichen Süssen liegt, verdankt das 29.000 Hektar grosse Weingebiet drei entscheidenden Komponenten:
Dem Alchimisten Arnaud de Villeneuve, Mediziner und Leibarzt des Königs von Aragón, der vor mehr als 500 Jahren das Schwarze – die Alchemie – in den Landstrich brachte und eine besondere Destillationstechnik entdeckte. Er entwickelte die Technik aus Wein Brände zu machen und legte damit den Grundstock der natürlichen Süssweine, die im oxidativen Verfahren ausgebaut werden.
Ein Geschenk für das Roussillon, denn ohne das Wissen, wie man den alkoholischen Gärprozess unterbricht, gäbe es in diesem südlichsten Landstrichs Frankreichs, in Katalonien, keine Süssweine. Die zweite Komponente ist die Klugheit der Bewohner, dieses Wissen für sich zu nutzen und ihre Geduld. Denn, um einen oxidativen Vin Doux Naturel zu erlangen, benötigt es mehrere Jahre, sogar Jahrzehnte.
Was lange währt wird sehr süss
Die Vin Doux Naturels werden mit der so genannten „Mutage“ – dem „Stumm machen“ – gezogen, die darauf basiert, die alkoholische Gärung der süssen Traubenmoste durch das beifügen von reinem Weinalkohol zu stoppen. Heute ist dieser Vorgang für die Winzer eine Leichtigkeit. Sie müssen lediglich den richtigen Zeitpunkt berechnen, um den Alkohol hinzuzufügen und damit die beträchtliche Restsüsse zu erhalten, die sie für ihren Wein brauchen.
Danach treten sie in die Geduldsphase ein, denn je nach Art des gewünschten Weines lassen die katalanischen Winzer die natürlichen Süssweine nach dem Abstoppen bis zu 20 Jahren und länger in Holzfässern oder Flaschen liegen. Dabei werden die Fässer nicht ganz verschlossen, so dass der Wein oxidieren kann.
Gelegentlich sieht man die Fässer oder auch dickwandige Glasballons an der freien Luft, wo der „Alterungsprozess“ dank der Sonneneinstrahlung in neun bis zwölf Monaten extrem beschleunigt wird.
Danach werden sie zur weiteren Reifung in Flaschen abgefüllt oder mit anderen gelagerten Weinen in Fässern verbunden, wo sie langsam heranwachsen. Nur so erreichen sie diese erstaunliche Stabilität, die sie Jahrzehnte , sogar über 100 Jahre, unbeschadet überstehen lässt.
Zudem erlangen sie durch diesen ausgeklügelten Prozess ihre unverwechselbare fruchtige Aromenvielfalt, die keineswegs nach „altem Wein“ schmeckt, sondern je nach Rebsorte zwischen getrockneten Früchten, Mandeln, Zimt, Nüssen und Honig einzuordnen ist und sich vielen, auch kräftigen Gerichten anpasst.
Tradition trifft auf Innovation
Vorrangig stehen im Roussillon drei grosse Namen für den Vin Doux Naturel, die alle seit 1936 mit der AOC ausgezeichnet sind. Die Banyuls sind wohl die Bekanntesten unter ihnen und neben den Weinen von Maury wohl auch die interessantesten.
Die Rivesaltes-Weine reihen sich zwar ebenfalls in die Riege der Grossen ein, werden jedoch meist aus den Trauben Muscat petits Grains und Muscat d’Alexandrie produziert. Diese Weine reifen kürzer und sind daher meist günstiger. Neben den Haupterzeugern gibt es im gesamten Roussillon-Gebiet jedoch kaum einen Winzer, der diese Tradition des Ausbaus nicht teilt.
Doch auch hier, in einem so friedlichen Zipfel am Rande Frankreichs, haben sich die Zeiten geändert. Die Globalisierung und die offenen Märkte haben auch im Roussillon ein Umdenken bewirkt. Zwar werden immer noch weit über 50 Prozent der Produktion im Süsswein ausgebaut, doch seit den Neunzigern haben die trockenen Weine deutlich an Gewichtigkeit zugenommen.
Und auch der reduktive Ausbau der natürlichen Süssweine, der vor vierzig Jahren noch fast undenkbar war, steigt beträchtlich. Das liegt vor allem an zwei entscheidenden Faktoren: Zum einen ist die Nachfrage an oxidativen Süssweinen gesunken und der Jahre lange Ausbau ist nicht wirtschaftlich.
Zum anderen gibt es auch viele junge Winzer, die neue Ideen haben und sich ausprobieren wollen. „Wir haben noch gar nicht den Vorlauf, einen guten oxidativen Süsswein zu präsentieren und, um ehrlich zu sein, müssen wir jetzt Geld verdienen und nicht erst in zwanzig Jahren“, meint Nicolas Batlle von der Domain Mas de Lavais, der auf dem Weingut seines Vaters als autodidaktischer Kellermeister beachtliche Ergebnisse produziert.
Der süsse Stolz einer Region
Doch, ob diese Entwicklung zur Vielfalt und Produktionsfreiheit ein Makel ist? Nein. Das Roussillon ist merklich auf dem Vormarsch. Die billigen Massenweine, die früher für das Gebiet standen, sind fast Vergangenheit. Zudem können sich die trockenen Weine auf dem internationalen Markt wahrlich behaupten.
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Mit dem reduktiven Ausbau haben die Katalanen nun auch Süssweine an der Hand, die Frische und Frucht auszeichnen – und dennoch haben sie sich eines bewahrt: Ihre Tradition und Eigenständigkeit, die sie abhebt von anderen Weinanbaugebieten der Welt. Ein Beweis, dass „schwarze“ Magie auch Gutes bringen kann. Denn, wenn man einen Winzer im Roussillon fragt, was sein grösster Schatz ist, dann wird er stolz antworten: „Mein Vin Doux Naturel!“
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