Wer wie Nittardi künstlerisch anspruchsvolle Etiketten auf seinen Weinen erscheinen lässt, bietet in der Regel Genuss fürs Auge und den Gaumen.
Noch kurz vor seiner Heirat hätte Peter Femfert nicht im Traum daran gedacht, eines Tages Winzer zu werden. Seine gut belegten Brötchen verdiente er als Galerist und Kunstverleger in Frankfurt. Doch bald nach der Trauung wurde er mit einem hartnäckigen Virus infiziert.
Überträger war seine Frau, Dr. Stefania Canali, eine Venezianerin, die in Florenz Geschichte studierte, promovierte und sich dort angesteckt hatte, mit dem toskanischen Landtraumerreger. Eine Auswirkung davon ist der heftige Wunsch nach einem Haus in dieser Region.
Dabei stiessen sie 1983 in Castellina in Chianti auf Nittardi, ein 120 Hektar grosses, altes Landgut mit Weinbergen und Olivenhainen. „Anfangs wusste ich nicht so genau, auf was ich mich da im Grunde einliess. Denn nachdem wir Nittardi kauften, hatten wir plötzlich Wein, aber weder Kunden noch eine Vertriebsstruktur“, blickt Peter Femfert zurück.
„Da kam mir die Idee mit den Künstleretiketten, aber nur etwas zu machen wie Rothschild, eine simple Kopie, das wollte ich nicht.“ So ist dann die Idee mit dem Seidenpapier entstanden, also ein eigenständiges Konzept. Denn die Künstler müssen zwei Bilder liefern, eines für das Etikett und eines für die Flaschenumhüllung.
Mag sein, dass ihn auch die Historie inspiriert hat. Die Geschichte des Anwesens geht nämlich bis ins 12. Jahrhundert zurück und einer seiner Besitzer im 16. Jahrhundert ging als einer der grössten Künstler der Welt in die Annalen ein: Michelangelo Buonarroti, besser bekannt unter seinem Vornamen.
Seine Arbeiten für die Päpste, etwa das Deckenfresko der Sixtinischen Kapelle in Rom, waren nicht immer unumstritten. Dasselbe lässt sich auch von Femferts Idee behaupten. Manche Weingeniesser wie Kritiker hielten nichts von zeitgenössischer Kunst auf Weinetiketten und unterstellten ihm sogar, damit nur seinen Wein imageträchtig vermarkten zu wollen.
Kunstvolle Etiketten
Auch war damals zu hören, die Weine wären wegen dieser Etiketten samt Einschlagpapier einfach zu teuer. Nun kann man Kritiken nur wirklich ernst nehmen, wenn sie berechtigt sind. Femfert aber bot von Anfang an seinen Chianti Classico auch mit einem ganz einfachen Etikett für 1 Euro weniger an.
Das hat den Nebeneffekt, dass die Käufer das Gesamtkunstwerk nicht durch das Öffnen der Flasche zerstören müssen. Sozusagen eine Flasche mit Künstleretikett fürs Regal und eine ohne Kunst fürs Trinken.
Während aber manche seiner Kollegen eher wenig bekannte Künstler mit einer Etikettengestaltung beauftragen, liest sich seine Liste fast wie das Who is Who der nationalen und internationalen Kunstszene.
Auf den bisherigen Flaschen stehen Signaturen etwa von Paul Wunderlich, Yoko Ono, A. R. Penck, Alfred Hrdlicka, Valerio Adami, Tomi Ungerer, Corneille, Friedensreich Hundertwasser, Horst Janssen, Günter Grass, Rudolf Hausner, Igor Mitoraj, Elvira Bach und Dario Fo. Kein Wunder, dass die Sammlung der Etiketten und Einschlagpapiere bereits in mehreren Museen ausgestellt wurden.
Aber nach welchen Kriterien werden die Künstler ausgewählt? „Der Künstler sollte schon bekannt und anerkannt sein, er sollte Bilder malen, die mir gefallen und eine sympathische Persönlichkeit haben. Alle Künstler kennen wir persönlich, viele haben uns auch in der Toskana besucht“, erläutert Peter Femfert.