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Rheinhessen – Revolution der jungen Winzer

Rheinhessen – Revolution der jungen Winzer
Copyright Weingut Eva Vollmer

Junge Winzer in Deutschlands grösster Weinregion rufen zur Revolution auf. Denn sie wollen die Welt verändern. Nicht die ganze, aber immerhin die Weinwelt in ihrer Region. Ein grosser Anspruch, aber die ersten Veränderungen sind schon spürbar.

“Weine wie du und ich“

Am Anfang stand der Wunsch. Dann kam eine Portion Ehrgeiz dazu. Danach, begleitet von einigen Widerständen, die Realisierung. Keine Kunden, keinen Namen, kein Kellerequipment, das kann ja heiter werden meinten Vater und Grossvater. Doch Eva Vollmer behielt die Nerven. Gut so, denn sozusagen aus dem Nichts hat sie 2007 mit ihrem ersten Jahrgang ein starkes Debüt geliefert.

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Eva Vollmer und Robert Wagner haben Spass an der Arbeit

Spass haben, Spass vermitteln, Natürlichkeit ausstrahlen und den Leuten offen zeigen, dass noch nicht alles perfekt ist, unter diesem Motto starteten Eva und ihr Mann Robert Wagner ihr Projekt damals. So wurde ein typischer Rheinhessischer Gemischtbetrieb mit Weizen, Gerste, Zuckerrüben und Fasswein plötzlich zum ökologisch wirtschaftenden Flaschenweinbetrieb.

Heute zählt das Weingut Eva Vollmer in Mainz-Ebersheim zu den erfolgreichen Jungwinzern Rheinhessens. Eine altehrwürdige Winzerfamilie mit Stil und Tradition, wie es vor allem aussereuropäische Weinkäufer bevorzugen? „Nein, mit Stolz können wir sagen: Wein seit 2007“, meint die Jungwinzerin. „Und was ich über unseren Stil sagen kann: authentisch, kernig, oft interessant kantig, keine Aromabomben, sondern Weine wie du und ich.“ Ihre beste Weine erkennt man übrigens auf dem Etikett an dem roten Ausrufezeichen nach dem Rebsortennamen. Ein deutliches Ausrufezeichen hat sie jedenfalls auch gesetzt, in der regionalen Winzerszene.

Die junge Szene gibt Gas

Die Jungen haben dabei ihre eigenen Vorlieben. Weg von Müller-Thurgau und Dornfelder und hin zu Riesling, Spätburgunder und Silvaner. So wie die Brüder Johannes und Christoph vom Winzerhof Thörle in Saulheim, die zu den besten Silvanererzeugern der Region zählen. Exrem späte Lese und bis zu 36 Stunden Maischestandzeit verleihen diesen Weinen eine aromatische Ausdrucksstärke, die man früher dieser Rebsorte kaum zugetraut hätte. Und wie kommt man auf solche Ideen? „Nun, das Wichtigste für einen guten Wein ist eine gewisse Genussaffinität seitens des Winzers“, versichert Johannes. Wer gute Küche liebe, mache sich auch über das Thema Wein zum Essen Gedanken und ist experimentierfreudiger im Keller.

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Doch bei aller Lust aufs Entdecken, zumindest für Johannes gibt es Grenzen. Die zieht er bei den gängigen internationalen Sorten. „Tolle Chardonnays gibt es überall, also muss man sich mit gebietstypischen weissen Sorten profilieren, denn die haben in unseren kühleren Regionen das beste Potenzial für grossartige Weine.“ Allerdings kosten derartige Qualitäten auch viel Schweiss. Heute fällt bei engagierten Winzern im Weinberg das Doppelte an Arbeitstunden an als vor 15 Jahren. Doch das bislang schon erreichte Weinniveau beweist, dass sie auf der richtigen Spur sind.

“Ich will einfach Weine machen, die Spass bereiten, vielleicht auch ein wenig verblüffen, weil man so etwas aus Deutschland eher nicht kennt.“

Mut ist dabei eines der Schlüsselwörter. Den bewies auch Christian Peth vom Weingut Peth-Wetz in Bermersheim, als er ins Weingut seiner Eltern eingestiegen ist, das damals auf Fassweine spezialisiert war. Zur Jahrtausendwende füllte er 5.000 Flaschen selbst ab, heute sind es rund 200.000, darunter auch rote internationale Sorten, die er bei seinen vielen Auslandsaufenthalten schätzen gelernt hatte. „Ich will einfach Weine machen, die Spass bereiten, vielleicht auch ein wenig verblüffen, weil man so etwas aus Deutschland eher nicht kennt“, meint Christian, der aber mit Spätburgunder und Portugieser umzugehen weiss.

Erfolg mit neuen Konzepten

Auch beim Weingut Karl May in Osthofen gehen die Brüder Fritz und Peter einen etwas anderen Weg, quasi nomen est omen. Der Gedanke eine rote Cuvée zu machen war schon länger in ihren Köpfen, es fehlte aber eine gute Vermarktungsidee. „Da uns oft Leute fragten, wer denn nun von uns beiden Old Shatterhand und Winnetou sei, kamen wir auf den Namen Blutsbrüder“, erläutert Fritz. Die nach dunklen Beeren schmeckende Cuvée gilt seit ihrem ersten Auftritt 2010 als Brandzeichen des Betriebes.

Während viele Jungwinzer weg von restsüssen Weinen ihrer Väter und Grossväter gehen, setzt Jean Raphael Buscher vom Weingut Jean Buscher in Bechtheim neben überzeugenden trockenen Weinen auch auf Erinnerungen aus seiner Kindheit. Das Resultat ist die erfolgreiche fruchtige Linie Dornröschen, deren Namensgeber die Rebsorten Dornfelder und Rosenmuskateller sind.

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Sozusagen aufs Gegenteil haben sich Julia und Johannes Landgraf vom Weingut Becker Landgraf aus Gau-Odernheim spezialisiert. Nach ihrer Heirat 2006 haben die Beiden das von Julias Grossvater übernommene Weingut nicht nur namentlich verändert. Spätburgunder und St. Laurent werden kompromisslos trocken gefüllt. „Und zwar richtig trocken, mit Null Gramm Restzucker“, so Johannes.

Weine für fast jeden Geschmack, aber auf höherem Niveau, dieses Motto vereint die jungen Winzer aus Rheinhessen. Oder, wie es Stefan Braunewell vom Weingut Braunewell in Essenheim formuliert: „Unsere Stärke liegt beim Spass am Wein. Wir wollen Lebensfreude in Flaschen packen und das möglichst zu einem super Preis-Leistungs-Verhältnis.“ Weiter so, auch wir wollen Spass!

Über den Autor

Wolfgang Hubert ist seit über 20 Jahren als Weinjournalist, Verkoster und Autor tätig und war bis 2008 außerdem Chefredakteur des Magazins „getränke markt“. Seit Ende 2014 ist er Chefredakteur des Genussmagazins "selection".

Dazu schreibt oder schrieb er regelmässig diverse Beiträge unter anderem für WeinWisser, Vinum, Wein Gourmet, essen & trinken, sowie für renommierte Tages- und Wochenzeitungen.

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