Wer über Australien spricht, muss auch die dortigen Trauben nennen. Wer aber über australischen Wein redet, kommt an der Kellerei Penfolds auf keinen Fall vorbei. Und wer von diesem Unternehmen berichtet, sollte auch eine der eigenständigsten Kreationen erwähnen, die der fünfte Kontinent je hervorgebracht hat.
Nichts gegen Grange, einen der berühmtesten Rotweine der Welt. Mal abgesehen vom Preis, der ja doch Dimensionen erreicht, die ihn selbst für den festlichen Ausnahmekonsum nur noch schwer erschwinglich machen. Den legendärsten australischen Shiraz, der oft einen mehr oder weniger grossen Schuss Cabernet Sauvignon enthält und der als Sammlerstück der luxuriösen Art gilt, darf man eher verehren denn real erleben.
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Auch für Weinjournalisten bleibt der Genuss eine rare Ausnahme, und wenn es sich um einen 1975er handelt, wie ich ihn neulich in Australien verkosten durfte, wächst die Ehrfurcht mit jedem Schluck.
Denn auch, wenn ich die Probe am Morgen ausspuckte, wie es die Konventionen bei professionellen Tastings verlangen, sicherte ich mir den nicht verbrauchten Rest der Flasche, ein gutes Glas voll, hob es mir für den Abend auf, genoss es zu einem der besten Burger von Melbourne.
Auch nach einem halben Tag blieb der mehr als 40 Jahre alte Wein ein faszinierender, sehr feiner und eleganter Roter. Sollte jemand noch Flaschen im Keller haben, sei ihm gesagt, dass er sich nicht beeilen muss, sie zu öffnen.
Die andere Shiraz-Interpretation
Gas geben muss man auch im Falle des St. Henri nicht. Und weil dieser ebenfalls vor allem aus Shiraz erzeugte Wein erschwinglicher ist als der Grange, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man dann und wann einen Schluck abbekommt. St. Henri, eines der Paradestücke der Kellerei Penfolds, ist kaum weniger alterungsfähig als Grange und doch ganz anders.
Chief Winemaker Peter Gago schaut dann auch ganz verzückt, als er die Weinbereitung der erstmals 1957 auf den Markt gebrachten roten Spezialität erklärt. Der Wein werde nicht in Barriques ausgebaut, erklärt Gago, sondern in grossen Holzfässern, dies sei eine andere Interpretation des Shiraz. Fast 1500 Liter fassten die Lagerbehälter, und sie würden den Wein auf eine spezielle Art prägen, ganz anders, als es die sehr viel kleineren Fässer beim Grange tun.
Der wird in 300 Liter fassenden Küfer-Kunstwerken aus amerikanischer Eiche vinifiziert, in sogenannten Hogsheads. Junger Grange ist bisweilen so massiv, dass man sich wünscht, die Jahrzehnte gäben ihm ein wenig Eleganz, während der St. Henri sich auch in der Jugend schon mit Genuss konsumieren lässt, niemanden verschreckt.
Potenzial für Jahrzehnte
Aber macht solche Zugänglichkeit den Wein langweilig? Im Gegenteil! Für Kenner ist der St. Henri qualitativ fast dem Grange ebenbürtig und zudem Beweis, wie eigenständig Weine sein können, die ohne massive Holzbeeinflussung auskommen. Abfüllungen aus den Achtzigern sind heute manchmal noch zu jung, die Weine aus den Siebzigern sind fast ausnahmslos auf dem Höhepunkt.
Und wer einmal den 1966er kosten durfte, weiss genau, welches Potenzial noch immer in ihm schlummert, welche Eleganz, verbunden mit seidig wirkenden Gerbstoffen. Der Shiraz übrigens ist im St. Henri deutlich zu spüren, denn Cassis, Gewürze, schwarze Schokolade und Trüffel gehören zum typischen Aromabild, das im Alter oft Toffee-, sogar Orangenschalennoten annimmt; etwas Cabernet Sauvignon ergänzt wie beim Grange den Blend.
Die verwendeten Trauben kämen, erklärt Peter Gago, aus verschiedenen Teilen Südaustraliens – ähnlich wie Grange ist auch St. Henri das Gegenteil eines Lagenweins, sondern eine Mischung aus dem Besten, was der jeweilige Jahrgang hervorgebracht hat.
St. Henri zum Wild
Es spricht nichts dagegen, den gerade freigegebenen 2013er zu öffnen, sollte kein älterer St. Henri zur Hand sein. Sorgsam dekantiert, also rechtzeitig vor dem Essen in eine Karaffe umgeschüttet, passt der mit seiner Verbindung aus Frische, Frucht und Würze perfekt zu Wildgerichten. Reh oder Hirsch, Gämse oder Wildschwein? Her damit!
Doch der jüngste St. Henri macht eine fast ebenso gute Figur zu gebratener Gans und begleitet, wenn es vegetarisch zugehen soll, eine Pilzpastete mit denkbar grösster Zurückhaltung.
Sogar zu Gebäck kann man ihn heranziehen, sofern das mit eher wenig Zucker und etwas Kakao bereitet wurde. Berliner Brot oder Lebkuchen mit etwas gehackten schwarzen Oliven plus ein Glas St. Henri? Kein schlechter Abschluss für den Heiligen Abend!
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2013 St. Henri: Süsse, dunkelbeerige Frucht mit Anklängen an Blaubeeren und dunklen Kirschen, dazu Gewürze und Kräuter, ganz leicht cremig, keinerlei Holzwürze spürbar. Saftiger, kraftvoller Wein mit festen, aber seidig wirkenden Gerbstoffen, alles andere als kantig, im Mund warm und würzig mit feiner Säure und bemerkenswerter Länge. Schon jetzt trinkbar, aber für mindestens 25 Jahre ein Erlebnis. 95/100 Punkte