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Winzerinnen in der Champagne – Das Erbe der Witwen

Winzerinnen in der Champagne – Das Erbe der Witwen
Copyright Alice Gundlach

Champagner war von jeher nicht nur Männersache. In der Region waren es oft starke Frauen, die Innovation in die Herstellung des edlen Schaumweins brachten. Das ist bis heute so.

Eine Technik, die die Herstellung des Champagner Anfang des 19. Jahrhunderts revolutionierte, ist die Remuage – also das Rütteln der Flaschen. Die Flaschen werden für die zweite Gärung, bei der die Kohlensäure entsteht, kopfüber in das Rüttelbrett gestellt und regelmässig in Zehntel-Drehungen bewegt – so setzt sich der Hefesatz auf dem Korken ab, so dass er vor der endgültigen Abfüllung leicht entfernt werden kann, während der Schaumwein klar bleibt.

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Eingeführt wurde dieses Verfahren unter der Leitung einer Frau – nämlich Barbe-Nicole Clicquot-Ponsardin, die Witwe kennt man heute unter dem Namen Veuve Clicquot. Nachdem ihr Mann, der Weinhändler François Cliquot, 1805 verstorben war, übernahm sie dessen Familienunternehmen und führte es zu Weltruhm. Sie war es übrigens auch, die den Rosé-Champagner einführen liess.

Auf die Witwen folgen die Töchter

Champagne Rüttelbretter
Rüttelbretter in der Champagne

Ebenfalls typisch für Champagner von heute ist das Geschmacksbild „Brut“. Vor 200 Jahren war das anders: damals waren bis zu 200 Gramm Restzucker pro Liter üblich. Die Erfindung des Brut Nature geht ebenfalls auf eine Witwe zurück, nämlich Louise Pommery. Das Champagnerhaus gleichen Namens begann als erstes, trockene Champagners herzustellen, und zwar, um den Schaumwein so besser in England verkaufen zu können.

Dass es die Witwen waren, die damals an die Spitze kamen, lag auch daran, dass sie die einzigen Frauen waren, die ein eigenes Konto führen dürften. Das ist heute natürlich anders: Da Weingüter auch in der Champagne in der Regel Familienbetriebe sind, setzen sich oftmals Töchter an ihre Spitze – und sind auch heute Innovatorinnen.

Marie Doyard etwa hat sich auf rebsortenreinen Chardonnay spezialisiert – üblich sind bei Champagner Cuvées aus Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Meunier. Sie steht an der Spitze des Weinguts André Jacquart in Vertus, das nach ihrem Grossvater benannt ist – und übrigens nicht mit „Champagne Jacquart“ verwandt ist.

Ihr persönlicher Stil: Reifezeiten von mindestens fünf Jahren, ein möglichst niedriger bis kein Restzucker – und der Ausbau komplett in Holzfässern. „Holzfässer zu nutzen, kann riskant sein, aber diese Qualität von Trauben kann es vertragen“, sagt die 39-Jährige. Ihr Lesegut stammt aus der Unterregion Côte de Blancs, das für besonders widerstandfähige Chardonnay-Trauben bekannt ist.

Dass ihre Schaumweine, wie der Brut Experience Premier Cru, trotz Holzeinsatz und langer Reife unglaublich frisch schmecken, liegt laut ihrer Auskunft daran, dass sie sie ohne malolaktische Gärung ausbaut.

Experimente im Keller machen schlauer

„Mére et Fille“ ziert stolz das Etikett
„Mère et Fille“ ziert stolz das Etikett

Ein Re-Import aus London in die Region ist Agnès Corbon. Die pfiffige Neu-Winzerin hatte zunächst für einige Jahre im Vertrieb eines grossen Süsswarenhersteller gearbeitet, zuletzt in England, bevor sie 2005 das Weingut Corbon ihres Vaters in Avize übernahm. Sie verzichtet auf jegliche Filtration und Schönung der Schaumweine, und auch ihre Champagners reifen mindestens fünf Jahre.

Eine lange Reifezeit führt zu einem vollen Keller – der einen in Jahren wie 2017 schon einmal retten kann: „Nach dem Frost im April, der auch die Champagne empfindlich getroffen hat, hatte ich einen Ernteausfall von 70%“, berichtet Agnès. „Aber mit 80 000 Flaschen im Keller habe ich es noch leichter als viele andere.“

Ihr Stil sind saftige, lebhafte Champagners, die trotzdem sehr klar und geradlinig wirken, z. B. die Cuvée Absolument Brut von allen drei zugelassenen Rebsorten oder der Chardonnay Grand Cru 2005. Mut zum Experimentieren zeigt sie mit der Cuvée Perdu No 2, deren Name anzeigt, dass im Weingut beim Ausprobieren nicht zum ersten Mal etwas nicht so lief wie geplant.

„Jetzt weiss ich, dass ich auch schon die erste Gärung in gebrauchten Holzfässern statt im Edelstahl durchführen muss.“ Wenn das passiert, macht man es am besten wie Agnès Corbon: den Erfahrungswert verbuchen, ein Etikett darauf kleben – und sich freuen, wenn nach längerer Reife doch noch ein schöner, fruchtstarker Champagner dabei herauskommt.

Frauenwirtschaft in zweiter und dritter Generation

Agnès Corbon hat Lust auf Experimente
Agnès Corbon hat Lust auf Experimente

Der Namenszusatz „père et fils“ („Vater und Sohn“) ist ein recht üblicher Anblick auf Weinetiketten. Das können wir auch, dachten sich Francine und Flore Dauby, weshalb Champagne Dauby die Ergänzung „mère et fille“ („Mutter und Tochter“) trägt.

Tochter Flore ist die Kellermeisterin, Mutter Francine kümmert sich ums Geschäftliche. Flores neue Methode: Die Grundweine parzellenweise vinifizieren und sie in gebrauchten Fässern aus dem nahen Burgund auszubauen.

Im Weinberg arbeitet sie zwar nicht biozertifiziert, aber nachhaltig, also mit viel Grün zwischen den Rebstöcken und ohne Pflanzenschutzmittel. Das ist ein Risiko in der kühlen und recht regnerischen Champagne. Zwar unterstützt das Comité Champagne, der hiesige Berufsverband der Weinbauern und Kellereien, den nachhaltigen Anbau mit einem Jahrbuch und Wetter-Eilmeldungen, zertifiziert biologisch arbeiten bisher aber nur sehr wenige Winzer.

Das Weingut der Daubys befindet sich in der Gemeinde Aÿ, deren historische Lagen seit 2015 Teil des UNESCO-Welterbes in der Champagne sind. Die Weinberge der Daubys liegen ausschliesslich in Grand Cru– und Premier Cru-Lagen, und so ist es kein Wunder, dass Flore in der von ihr kreierten Linie neben „puren Aromen“ vor allem Wert darauf legt, dass ihre Champagners das Terroir widerspiegeln.

Gleich drei Generationen von Frauen arbeiten bei Champagnes J. Lassalle in der Premier Cru-Gemeinde Chigny-Les-Roses. Zu dieser Konstellation führte, nahezu traditionell, auch hier ein verfrühtes Witwentum. Olga Lassalle übernahm 1982 das Weingut ihres verstorbenen Mannes Jules, gemeinsam mit ihrer Tochter Chantal.

Seit 2006 bestimmen Chantal Decelle-Lassalle und wiederum ihre Tochter Angéline Templier die Geschicke des Weingutes. Mutter Olga, heute stolze 97, hat noch eine beratende Funktion. „Sie hat ein sehr gutes Gedächtnis“, erklärt Chantal Decelle-Lassalle.

Ihre Schaumweine wie die Cuvée Préférence Brut oder der Jahrgangs-Champagner Cuvée Blanc de Blancs fallen nicht nur durch runde, saftige Aromen auf, sondern kitzeln den Gaumen vor allem mit salziger Mineralität, wie sie für die Kalkböden der Champagne typisch ist.

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Degogiert wird bei ihnen teilweise noch mit der Hand – dieses traditionelle Verfahren der Hefesatz-Entfernung erfordert echtes Können und Fingerspitzengefühl. Ihr gemeinsames Anliegen sei es, „den einzigartigen Stil von Jules zu erhalten, und ihm auch etwas Weiblichkeit zuzufügen.“

Über die Autorin

Alice Gundlach arbeitet seit 2005 als Journalistin, seit 2011 ist sie freie Autorin mit den Schwerpunkten Wein und Food. Davor schrieb sie schon als angestellte Redakteurin regelmässig über Weinthemen.

Sie ist spezialisiert auf die Weinregionen Deutschlands und Italiens.

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